Ein Sportjournalist will Präsident des Deutschen Fußballbundes werden

Machohafte Männerherrlichkeit

Der Journalist Andreas Rüttenauer möchte Präsident des DFB werden. Mit etwas Glück wird er es immerhin schaffen, dass über die hierarchischen Strukturen des Verbandes diskutiert wird.

Alles schien schon ganz klar zu sein: Die Oberen des Deutschen Fußballbundes (DFB) hatten sich hinter verschlossenen Türen beraten und entschieden, dass Generalsekretär Wolfgang Niersbach Nachfolger des amtsmüden DFB-Präsidenten Theo Zwanziger werden sollte. Beim Deutschen Fußballverband bestimmt schließlich traditionell der Amtsinhaber, wer ihm nachfolgen soll. Doch dann kündigte der Taz-Sportredakteur Andreas Rüttenauer in der vergangenen Woche an, ebenfalls für das Amt kandidieren zu wollen.
Rüttenauers Chancen stehen freilich schlecht. Denn um auf dem DFB-Bundestag, der am 2. März in Frankfurt am Main stattfinden soll, als Gegenkandidat antreten zu können, müsste Rüttenauer erst einmal einen der 21 Landesverbände davon überzeugen, ihn zu nominieren. Viele Hoffnungen dürfte er sich nicht machen, denn die hierarchischen Strukturen der einzelnen Landesverbände ähneln denen des DFB selbst. So ist denn auch der Mangel an interner Demokratie einer der wichtigsten Punkte, gegen die Rütten­auers Kampagne sich richtet. In dem von ihm verfassten »Manifest 2020«, das den Untertitel »Fußball für alle« trägt, kritisiert er unter anderem, dass die immerhin 6,5 Millionen Mitglieder des DFB nicht wirklich ein Mitspracherecht bei der Wahl des Präsidenten haben, der zumindest dem Namen nach der ihre sein soll. Darüber hinaus fordert Rüttenauer einen entschiedeneren Einsatz gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie, verlangt aber auch, dass der Amateursport wieder mehr Raum im Alltagsgeschäft des Verbandes einnehmen soll. Ganz besonders wendet er sich jedoch gegen die »machohafte Männerherrlichkeit« in den Kurven und Kabinen. Fußball dürfe keine Männersache bleiben und ein Verband, in dessen Präsidium nur eine Frau sitzt, dürfe nicht den Fußball repräsentieren, heißt es in dem Manifest.
Rüttenauers Kritik an der Arbeit des DFB kommt einer Generalabrechnung gleich. Sie zeichnet das Bild eines Verbandes, der die ­Verbindung zu seiner Basis verloren hat, der auf der einen Seite sein Hauptaugenmerk auf den Profifußball richtet, andererseits jedoch kaum noch Kontrolle über ihn hat, weil er zentrale Kompetenzen an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) abgetreten hat. Wenn es nach dem Sportjournalisten mit dem charmanten bayerischen Akzent ginge, würde der Verband anders handeln: »Der DFB sollte sich viel selbstbewusster der Liga gegenüber verhalten. Freiräume für den Amateurfußball, der bundesligafreie Sonntagnachmittag etwa, lassen sich sehr wohl durchsetzen.«
Rüttenauer hat durchaus einige Prominente auf seiner Seite. Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, unterstützt seine Kandidatur genauso wie RBB-Moderator Jörg Tadeusz. Auch einzelne Bundestagsabgeordnete von FDP und Grünen haben inzwischen Sympathie für die Kampagne bekundet. Wenn sich jedoch kein Landesverband findet, der bereit ist, Rüttenauer formell zur Wahl aufzustellen, wird ihm das auch nicht viel nützen. Dann wird der nächste Präsident Wolfgang Niersbach heißen, und der DFB-Bundestag wird auch weiterhin in etwa so viel mit Basisdemokratie zu tun haben wie ein durchschnittlicher Parteitag einer der etablierten Parteien. Dass seine Erfolgsaussichten nicht eben die allerbesten sind, ist Rüttenauer durchaus bewusst. Sein Minimalziel formuliert er daher gegenüber der Jungle World bewusst bescheiden: »Wenn ich es dann am Ende doch nicht geschafft habe und wenigstens eine Debatte über die Strukturen des Verbandes, über die Person und die immer noch nicht transparenten Ziele von Wolfgang Niersbach angestoßen habe, dann war das schon ein kleiner Erfolg.«
Bisher erscheint jedoch nicht einmal das wahrscheinlich. Weder der DFB noch Niersbach haben sich bisher öffentlich zur Causa Rütten­auer geäußert. Und was genau der designierte, von Zwanziger favorisierte Nachfolger zu tun gedenkt, so er Präsident wird, bleibt nebulös. Klar ist nur, dass Niersbach die Interna des DFB und die Gepflogenheiten des Geschäfts kennt wie kaum ein Zweiter. Seine Laufbahn hat er als Sportjournalist bei einer Presseagentur begonnen. Später betreute er die Stadionzeitungen von Fortuna Düsseldorf und des Eishockeyclubs Düsseldorfer EG. Bei der Europameisterschaft 1988 in der damaligen Bundesrepublik war er dann erstmals als Pressechef für den DFB tätig. Von da an ging es Stufe um Stufe aufwärts in der Verbandshierarchie, bis er schließlich im Oktober 2007 zum Generalsekretär ernannt wurde. Dass jemand, der über so lange Zeit Teil des Apparates gewesen ist, sich durch besonders innovative Reformideen hervortun könnte, ist sehr unwahrscheinlich.
Dennoch scheint seine Wahl so sicher, dass Focus bereits Wochen vor dem DFB-Bundestag ganz ohne Konjunktiv schreibt, Niersbach werde Zwanziger beerben. Interessanter ist jedoch, dass die Zeitschrift auch den Namen desjenigen nennt, der Niersbachs Posten als Generalsekretär übernehmen soll. Hier ist die Wahl des DFB-Präsidiums auf Helmut Sandrock gefallen, gegenwärtig DFB-Direktor und unter anderem für den Spielbetrieb zuständig. Er war von 2005 bis 2007 Geschäftsführer beim österreichischen Bundesligisten Red Bull Salzburg, jenem Verein, der bis zum Kauf durch den Getränkehersteller Austria Salzburg hieß und nun nicht viel mehr ist als ein Werbeträger für Energy-Drinks. Vielen Fans in Deutschland gilt Red Bull Salzburg seither als der Inbegriff der totalen Kommerzialisierung des Fußballsports. Dass gerade jemand, der offenbar derlei Geschäftspraktiken gutheißt, in Zukunft eines der höchsten Ämter des DFB bekleiden soll, dürfte viele Fans alarmieren.
Doch dafür muss Niersbach erst einmal zum Präsidenten gewählt werden. Schlimmer als die Mehrzahl seiner Vorgänger kann er unmöglich sein. Seit der Verband unter Felix Linnemann in der Zeit des Nationalsozialismus gleichgeschaltet worden war, waren viele Vorsitzende ehemalige Nazis, Rassisten oder Nationalisten. Der Bogen spannt sich dabei von Peco Bauwens, dem ersten DFB-Präsidenten der Bundesrepublik, der im Krieg Zwangsarbeiter beschäftigt hatte, über Hermann Gösmann, der in einer Vereinszeitung die »großgeschichtliche Tat« der »Heimführung unserer österreichischen und sudetendeutschen Brüder ins großdeutsche Reich« gelobt hatte, bis hin zu Gerhard Mayer-Vorfelder, der noch 2001 meinte, wenn beim Spiel Bayern gegen Cottbus nur zwei »Germanen« in der Anfangsformation stünden, könne irgendetwas nicht stimmen. Auch Rüttenauer hat damit seine Erfahrungen gemacht: »Die Vergangenheit des DFB ist wahrlich eine große Horrorshow. Am Freitag stand ich neben der Büste von Hermann Neuberger und habe Gerhard Meyer-Vorfelder die Hand geschüttelt. Da kriegt man schon Gänsehaut.«