Grant Wahl im Gespräch über seinen Versuch, Fifa-Präsident zu werden

»95 Prozent der Fans wollten mich!«

Der US-Sportjournalist Grant Wahl über seinen Versuch, Fifa-Präsident zu werden, und die Demokratisierung des Weltfußballs.

Grant Wahl, 38, ist Fußballexperte des US-Magazins Sports Illustrated. 2011 hat er vergeblich versucht, für das Präsidentenamt des Fußballweltverbandes Fifa zu kandidieren. Er fand keinen nationalen Fußballverband, der ihn nominiert hätte.

Vor einem Jahr wären Sie fast der neue Sepp Blatter geworden. Bereuen Sie es nachträglich, für die Präsidentschaft des Fußballweltverbandes Fifa kandidiert zu haben?
Nein, ich fühle mich immer noch gut. Meine Botschaft ist bei den Fußballfans in der ganzen Welt angekommen. Die Reformen, die ich von der Fifa fordere, stehen ja noch aus: dass sie transparenter wird und dass sie sich um die Interessen der Fans kümmert.
Aber ein Kandidat, der das durchsetzen will, ist nicht mehr da, seit Sie gescheitert sind. Braucht es nicht so jemanden?
Die Fifa muss verändert werden, ja. Sie muss eine saubere Organisation werden. Und das geht nicht, wenn einer wie Sepp Blatter ihr vorsteht.
Wer wäre denn besser?
Vielleicht Michel Platini, der gegenwärtige Uefa-Präsident. Noch besser wäre es, wenn jemand von außen käme.
Nämlich?
Kofi Annan, der frühere Uno-Generalsekretär, wäre eine gute Lösung. Oder Bill Clinton, der frühere US-Präsident. Beide haben viel Ahnung von Fußball und wären entsprechend starke Persönlichkeiten.
Kann man die Fifa überhaupt reformieren?
Dazu gibt es keine Alternative. Die Fifa ist eine mächtige Organisation mit sehr schlechter ­Reputation. Die Sponsoren geben der Fifa viel Geld, doch auch ihr Renommee wird langfristig geschädigt, wenn die Fifa so bleibt, wie sie ist.
Um zur Wahl antreten zu dürfen, hätten Sie von einem Fifa-Mitgliedsverband nominiert werden müssen. Hatten Sie auch Kontakt zum deutschen Verband, dem DFB?
Beim DFB hat mir niemand geantwortet. Und ich selbst hatte nicht die Chance, alle Fifa-Mitglieder zu besuchen, das sind ja über 200.
Hatten Sie, wenn schon nicht zum DFB, so doch andere Kontakte nach Deutschland, zu Vereinen, zur Bundesliga, zu einzelnen Personen?
Ich habe von vielen Fans Rückhalt bekommen, auch aus Deutschland. Und ich hatte Kontakt zu einigen Sportjournalisten, die über mich berichtet haben.
Derzeit versucht ein deutscher Sportjournalist beim DFB, was Sie bei der Fifa versucht haben: Andreas Rüttenauer von der Taz will DFB-Präsident werden. Haben Sie davon gehört?
Ja, ich wünsche ihm viel Glück.
Rüttenauer bekommt zu hören, seine Kandidatur sei unseriös. Sie kennen den Vorwurf Ist da etwas dran?
Der Vorwurf war immer die erste Reaktion der Menschen, wenn ich mich vorgestellt habe. Und natürlich verlangt eine derart aussichtslose Kandidatur einen bestimmten Sinn für Humor, sonst kann man das nicht machen. Aber dennoch bestehe ich darauf, dass meine Ansichten über die Fifa wahr sind: Die Fifa muss reformiert werden! Das sehen auch die Fans so. Bei Sports ­Illustrated haben wir die Fans abstimmen lassen: 95 Prozent haben für mich votiert, und nur zwei Prozent für Blatter!
Die Sports Illustrated ist Ihr Arbeitgeber, Ihre Kandidatur war auch Werbung für das Magazin. Wäre es nicht seriöser gewesen, wenn eine solche Kandidatur von Fans ausgegangen wäre?
Fans haben mich ja unterstützt. Und ich hätte auch gerne Fans unterstützt. Es darf nicht sein, dass nur Kandidaten von einer Mitgliedsorganisation nominiert werden dürfen.
In den USA haben die Vereinsbesitzer viel größere Macht im Profisport als etwa im europäischen Fußball. Ist es nicht ein realistischeres Szenario für den Weltfußball, dass irgendwann kapitalistisch geführte Vereine aussteigen und einen eigenen Weltverband aufmachen?
Das kann sein. Vielleicht scheren die Fußballclubs, die ja als moderne Unternehmen geführt werden, irgendwann einmal aus der Fifa aus und gründen eigene Ligen, veranstalten eigene Meisterschaften. Das ist denkbar, aber ob es realistisch ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wäre die Fifa gut beraten, die Macht der Vereine nicht zu unterschätzen. Die Vereine sind darauf angewiesen, dass professionell gearbeitet wird. Das aber passiert nicht in der Fifa und vielen nationalen Verbänden. Viele von denen sind auch schlicht korrupt.