Home Story

Haben Sie schon mal zu zählen versucht, wie oft bei uns das Wort »Mobilisierung« vorkommt? Sollten Sie es tun, nehmen Sie sich am besten für den Tag nichts anderes vor. Hier herrscht nämlich eine regelrechte Mobilisierungsinflation. Das liegt natürlich vor allem daran, dass wir so oft über soziale Bewegungen berichten, in denen sich Aktivisten tummeln, die ständig für irgendetwas mobilisieren. Aber es hat vielleicht noch einen anderen, eher psychodynamischen Grund. Haben doch einige diskrete Privatgespräche in der vergangenen Woche an den Tag gebracht, dass sich viele von uns vor nichts so sehr fürchten wie vor altersbedingter Immobilität. Die einen haben es im Rücken, die anderen in den Beinen, manchen macht ihr Bauchansatz Sorgen, andere haben Haltungsschäden, und fast alle haben Angst vor dem ersten Bandscheibenvorfall. Falls es Ihnen ähnlich geht, haben wir einen Präventionstipp: Pilates. Das ist dieses »systematische Ganzkörpertraining«, mit dem bis vor kurzem die Angehörigen des Restgroßbürgertums die überschüssige Freizeit aus sich herausatmeten, das mittlerweile aber auch fürs Prekariat attraktiv geworden ist. Begründet wurde es von dem Boxer, Artisten und Turner Joseph Hubert Pilates, der es im Ersten Weltkrieg während seiner Kriegsgefangenschaft in Großbritannien entwickelte, um die Konstitution seiner Mithäftlinge zu stärken. Man kann sich ausmalen, was es sozialpsychologisch bedeutet, dass alle jetzt so begeistert davon sind. Sollte Ihnen Pilates zu ganzheitlich sein, haben wir noch andere Empfehlungen. Zum Beispiel Zumba, einen von Latino-Rhythmen grundierten Fitnesstanz, oder den »Flexi Bar«, einen Schwingstab, mit dem sich auf abwechslungsreiche Weise herumhampeln lässt. Falls Sie Genaueres wissen wollen, schauen Sie sich die Flexi-Bar-Videos auf Youtube an. Zumindest das Zwerchfell können Sie dabei trainieren. Aber offenbar gibt es bei der Beurteilung dieser Trainingsmethoden genderspezifische Unterschiede. Die meisten unserer Redakteurinnen können ihnen einiges abgewinnen, während die Männer belustigt bis höhnisch reagieren. Unser Inlandsredakteur kann sich nicht einmal für den »elektrischen Bauchweggürtel« erwärmen, den man sich einfach nur umschnallen muss, ohne sonst etwas zu tun, und würde stattdessen lieber aggressive »Fat Burner« schlucken. Sein Kollege vom Ausland praktiziert lediglich »Savasana«, die »Totenstellung« beim Yoga, vor dem heimischen Fernseher. Der Dossierredakteur geht nur zur Arbeit und nach Hause und bewegt sich sonst gar nicht, der zweite Inlandsredakteur hat zwar schon von »Fitness-Apps« gehört, will sie sich aber nicht herunterladen. Und die »Occupy«-Bewegung hat bisher keinen einzigen Flexi-Bar-Flashmob organisiert. Aber vielleicht kennen Sie ja ein paar Aktivisten, die sich dafür mobilisieren lassen?