Ist der norwegische Attentäter Breivik nur verrückt oder auch allein?

Als Feind hinzufügen

Auch über ein halbes Jahr nach dem Massaker in Norwegen ist noch nicht geklärt, ob der mutmaßliche Massenmörder Anders Breivik Mittäter hatte.

Sie war genauestens kalkuliert, die Geste, mit der Anders Breivik seinen ersten öffentlichen Auftritt vor Gericht einleitete: Der Gruß mit erhobenem rechtem Arm und geballter Faust, mit dem er sich ans Publikum wandte, sei »eine ans rechtsextreme Milieu gerichtete Botschaft« gewesen, beschrieb der Verteidiger Geir Lippstad die Intention seines Mandanten, damit »ganz klar« sei, wo der Angeklagte stehe. Breivik selbst hatte diese Geste in seinem Manifest genau beschrieben: Die idealerweise in einem weißen Handschuh steckende geballte Faust stehe für »Stärke, Ehre und Hass auf die marxistischen Tyrannen«, zu denen nach Auffassung des selbsternannten Retters des christlichen Abendlandes offenbar auch Psychiater gehören. Schon kurz nach seiner Verhaftung hatte er über seinen Anwalt erklären lassen, dass ihn allenfalls japanische Experten untersuchen dürften, da diese in einem noch »weitgehend rassereinen Land« lebten und deswegen von »linker Multikulti-Propaganda« unbeeinflusst seien.

Entsprechend verärgert reagierte Breivik darauf, dass er von den Psychiatern Synne Sørheim und Torgeir Husby für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt ist die einzige legale Möglichkeit, ihn in Norwegen lebenslang zu inhaftieren, möglicherweise wird die Diagnose jedoch keinen Bestand haben. Das zuständige Osloer Gericht beauftragte nun zwei zusätzliche Psychiater mit einer weiteren Untersuchung. Agnar Aspaas und Terje Tørrisen dürfen Breivik, der jegliche Kooperation strikt verweigert, vier Wochen lang unter­suchen – allerdings aus Sicherheitsgründen nicht, wie von ihnen gefordert, in einem psychiatrischen Krankenhaus, sondern im Gefängnis Ila, wo die Leitung derzeit ein Gebäude zu einem provisorischen Ein-Mann-Hospital umbauen lässt.
Die Psychiater werden Breivik auch dabei beobachten, wie er Zeugenaussagen von überlebenden Jugendlichen des Massakers auf Utøya liest. Wichtiger ist dem mutmaßlichen Massenmörder wohl eine andere Lektüre: In den nächsten Tagen wird er sein Manifest ausgehändigt bekommen, das die Polizei bislang bewusst zurückgehalten hatte, um zu ermitteln, ob möglicherweise noch andere Personen an dessen Erstellung oder an der Planung der Morde beteiligt waren. Breiviks Reaktionen auf das Geschriebene könnten sehr aufschlussreich sein, sagen die Fachärzte.

Um Breiviks Kontakte zu erfassen, wäre es nach Angaben der Ermittler allerdings wichtiger, Zugang zu seinem Facebook-Konto zu bekommen. Der 33jährige nutzte die Plattform bis wenige Stunden vor dem Bombenattentat in Oslo über Jahre hinweg regelmäßig. Die gesammelten Daten des nur wenige Stunden nach den Attentaten von Facebook abgeschalteten, allerdings nicht gelöschten Profils könnten nicht nur zeigen, mit wem er in Kontakt stand. Facebook speichert auch die IP-Adressen seiner Nutzer, dadurch könnte man nachvollziehen, wo sich Breivik zu welchem Zeitpunkt aufhielt – und ob er neben den zwei bekannten, auf andere Namen angemeldeten Konten noch weitere unterhielt. Besonders interessant könnten die gespeicherten Information sein, weil der Angeklagte selbst davon ausgegangen war, dass sie schon kurz nach seiner Verhaftung der norwegischen Polizei vorgelegen hätten und eine weitere Person wegen der von Facebook erhaltenen Informationen inhaftiert worden sei. Als er seinen Irrtum bemerkte, weigerte er sich jedoch, einer freiwilligen Herausgabe seiner Daten zuzustimmen.
Facebook habe sich bislang nicht besonders kooperativ gezeigt, beklagte der Polizeijurist Christian Hatlo in der vorigen Woche. Unter Verweis auf die firmeneigenen Datenschutzvorschriften seien offizielle Auslieferungsbegehren für die Informationen gefordert worden, die dann in jedem einzelnen Teilbereich erst von einem kalifornischen Gericht für rechtens erklärt werden müssen. Daher liege bislang nur ein Bruchteil der Daten vor. Und mögliche Mitwisser oder Kontaktpersonen aus rechtsextremen Kreisen in anderen Ländern hatten viel Zeit, Spuren zu verwischen und belastendes Material verschwinden zu lassen.