Seltene Erden bezieht die Bundesregierung gern auch von Autokraten

Der Pakt mit dem Dreck

Im globalen Wettstreit um den Zugriff auf seltene Erden geht die Bundesregierung offensiv vor. Dafür schließt sie auch Abkommen mit autoritären Regimen.

Es sind geradezu apokalyptische Szenarien, die das deutsche Kapital und die seinen Interessen verpflichteten Institutionen derzeit entwerfen. Es geht dabei um die Frage, wie es um die Versorgung der Industrie mit den für die Produktion bedeutsamen Rohstoffen bestellt ist. Bereits im vergangenen Oktober fand in Hannover eine Veranstaltung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit dem Titel »Rohstoffsicherung für die deutsche Wirtschaft« statt, auf der sich Vertreter der Bundesregierung, von Unternehmen und Interessenverbänden darüber berieten, wie künftig die Belieferung deutscher Konzerne mit Rohstoffen sicherzustellen sei. Im Ankündigungstext zu dem Treffen hieß es, dass die Rohstoffversorgung zu einem immer größeren Risiko für die deutsche Wirtschaft werde und mehr als 50 Prozent aller deutschen Unternehmer befürchteten, »die erforderlichen Rohstoffe gar nicht mehr zu erhalten«. Anfang Februar dieses Jahres veröffentlichte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Ergebnisse einer Umfrage unter Unternehmen, derzufolge die Preisentwicklung für Rohstoffe für 76 Prozent der befragten Betriebe ein Problem darstellt und 46 Prozent von ihnen hinsichtlich der Verfügbarkeit Schwierigkeiten sehen.

Derlei Verlautbarungen enthalten fraglos einigen melodramatischen Überschuss. Angesichts des sich verschärfenden globalen Wettstreits zwischen den alten westlichen Industrienationen und den aufstrebenden sogenannten Brics-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – hat aber in der Tat die Konkurrenz um Rohstoffe neue Ausmaße erlangt. Ein Resultat dieser Entwicklung ist der deutliche Anstieg der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt in den vergangenen Jahren. Dies gilt nicht nur für die klassischen Energierohstoffe wie Öl und Gas, sondern auch für viele Metalle, die für die Produktion unerlässlich sind, wie etwa die sogenannten seltenen Erden. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Metallen, die insbesondere für die Herstellung von High-Tech-Produkten – zum Beispiel Hochleistungsmagnete in Computerfestplatten oder Lasergeräte – benötigt werden.
Zwar sind die weltweiten Vorkommen an seltenen Erden nicht so rar, wie es der Name suggerieren mag, wohl aber hält sich das Volumen der tatsächlich erschlossenen Rohstoffe dieser Art in Grenzen. Sie befinden sich zudem zu etwa 95 Prozent auf chinesischem Staatsgebiet. Indem die chinesische Regierung restriktive Exportbeschränkungen für diese besonderen Rohstoffe festgesetzt hat, hält sie gegenwärtig die Preise hoch und verstärkt somit die Abhängigkeit des internationalen Kapitals von ihrer Exportpolitik.

Diese Entwicklungen sind insbesondere für die Wirtschaft eines industrialisierten, aber rohstoffarmen Lands wie Deutschland von Bedeutung. Einem Bericht der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) zufolge wurden im Jahr 2010 in Deutschland Rohstoffe im Wert von 17,7 Milliarden Euro gefördert. Dem steht aber der Import von Rohstoffen im Wert von mehr als 109 Milliarden Euro gegenüber.
Der deutsche Staat weiß um diesen Zustand und um seine Aufgabe, die Schwierigkeiten deutscher Unternehmen bei der Verfolgung ihrer Verwertungsinteressen zu beseitigen. So unterzeichneten vergangene Woche Deutschland und Kasachstan ein »Abkommen über die strategische Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich«. Bislang ist Kasachstan für Deutschland vor allem wegen seiner großen Ölvorkommen von Bedeutung gewesen. Das Land ist mittlerweile zum drittgrößten Öllieferanten der Bundesrepublik aufgestiegen. Das nun besiegelte Rohstoffabkommen soll der deutschen Wirtschaft vor allem den Zugriff auf die reichhaltigen, aber noch unerschlossen Vorkommen an »seltenen Erden« in dem zentralasiatischen Staat sichern. Wie der kasachische Botschafter Nurlan Onschanow vor dem Abschluss des Abkommens der Presse mitteilte, diene es dazu, deutschen Unternehmen einen exklusiven Zugang zu den Rohstoffen Kasachstans zu sichern. Mit deutscher Hilfe wolle man die Vorkommen seltener Erden fördern, aber auch anderer Rohstoffe, etwa Uran und Kupfer.
Deutschland verspricht als Gegenleistung für diesen exklusiven Zugriff auf kasachische Ressourcen einen nicht minder exklusiven »Technologietransfer«. Schon vor einigen Monaten hieß es dazu aus dem Bundeswirtschaftsministerium, man strebe den »Aufbau von Industrieclustern einschließlich der Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen« an. Die kasachische Regierung hob in diesem Zusammenhang wiederum hervor, dass »die deutsche Industrie anders als die Amerikaner und Franzosen« zu dieser speziellen Form der Kooperation bereit sei. So wurden denn auch im Anschluss an die Unterzeichnung des Abkommens 50 Verträge zwischen deutschen und kasachischen Firmen im Umfang von drei Milliarden Euro abgeschlossen.
Das deutsch-kasachische Bündnis ist nicht das erste dieser Art. Bereits im Oktober 2011 wurde ein Abkommen nahezu gleichen Inhalts zwischen Deutschland und der Mongolei abgeschlossen, das deutschen Unternehmen einen privilegierten Zugang zu mongolischen Rohstoffen sichern soll, wobei auch hier Vorkommen von seltenen Erden im Vordergrund stehen. Durch solche bilateralen Kooperationsabkommen verschafft die Bundesrepublik dem deutschen Kapital eine dominante Stellung gegenüber der Konkurrenz azs anderen Ländern im Wettstreit um den Zugriff auf die Rohstoffvorräte der jeweiligen Vertragspartner.

Die deutsche Außenpolitik ergänzt somit entsprechende Initiativen deutscher Konzerne. So gründeten noch Ende Januar führende deutsche Industrieunternehmen eine »Allianz zur Rohstoffsicherung«, der unter anderem BASF, Bayer, Daimler und Thyssen-Krupp angehören. Die Gründung dieses strategischen Zusammenschlusses geht in erster Linie auf den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zurück. Einer Pressemitteilung des BDI zufolge gehe es dabei um den »Aufbau von Beteiligungen an Rohstoffprojekten (…) , um so die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen langfristig zu verbessern«. Die Allianz greife, heißt es weiter, »Rohstoffprojekte in einer frühen Projektphase auf« und werde »Explorationen durchführen, also die Vorkommen erkunden und bewerten«. Dadurch schaffe man »Bezugs- und Beteiligungsoptionen für deutsche Unternehmen«, wobei der Schwerpunkt auf Rohstoffen liege, »bei denen ausgeprägte Versorgungsrisiken für die deutsche Industrie« bestünden.
Recht unbekümmert zeigt sich Deutschland indes darüber, mit welchen politischen Figuren es seine Rohstoffbündnisse abschließt. Das autoritäre Regime des kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Narsabajew ist seit 1991 an der Macht und international dafür bekannt, jeglicher relevanten Opposition im Land mit äußerst harter Repression zu begegnen. Erst im Dezember 2011 wurde ein über ein halbes Jahr andauernder Streik von Ölarbeitern in der westlichen Provinz Mangistau blutig niedergeschlagen. Mindestens 17 Arbeiter kamen dabei ums Leben, mehr als 90 wurden verletzt, Augenzeugen berichten sogar von über 70 Toten (Jungle World, 3/2012). Deutschen Unternehmen freilich dürfte es keine übermäßig großen Sorgen bereiten, wenn sie einen starken Staat an ihrer Seite wissen, der ihre Expansionsbestrebungen in dem zentralasiatischen Land gegen Klassenkämpfe abzusichern versteht.