Berlin Beatet Bestes. Folge 134

Der Wind pfiff durch Wuppertal

Berlin Beatet Bestes. Folge 134: Kenneth Spencer: Geisterreiter (1957).

Es war in einer Regenacht, / Wind pfiff durch die Prärie. / Die Cowboys saßen dichtgedrängt, / nur Whisky wärmte sie. / Ja, Kerle sind es, hart und zäh, für sie gilt Colt und Faust. / Und Sturm und Wind und Wolkenbruch / sind über sie gebraust. / Jippija-je, Jippija-ho. / Die Nachtgeister zieh’n vorbei.«
Ich besitze diese Single schon viele Jahre und muss zugeben, dass sie mich nie besonders beeindruckte. Der deutsche Text, den Kenneth Spencer mit tiefer Bassstimme und rollendem »R« singt, entspricht den Schlagerversionen des Liedes, die Ralf Paulsen, Bruce Low und Rita Paul aufnahmen. Während die Versionen des Country & Western-Klassikers »Ghost Riders In The Sky« von Gene Autry, Frankie Laine und Johnny Cash sowie die Instrumentalversionen der Ramrods, der Scorpions und Dick Dales immer noch überzeugen, beeindruckt mich diese nicht.
In der vergangenen Woche fand ich dann zufällig in einem Trödelladen eine Doppel-LP aus den siebziger Jahren, die mir das Werk von Kenneth Spencer näherbrachte. Aus heutiger Sicht ist das Bemerkenswerte an der Biographie des Afroamerikaners Spencer, dass er, um dem Rassismus in den USA zu entfliehen, ausgerechnet nach Wuppertal zog. Geboren 1913 in Los Angeles, studierte er von 1934 bis 1938 an der Musikhochschule von Rochester, landete danach aber zunächst bei Radio und Film. Unter anderem spielte er 1940 in dem berühmten, nur mit schwarzen Schauspielern und Musikern besetzten Musical »Cabin In The Sky« an der Seite von Ethel Waters, Lena Horne, Louis Armstrong und Duke Ellington. An eine Konzert- und Opernkarriere war aber noch nicht zu denken. Die schönen Künste waren kriegsbedingt nicht gefragt, und auch sonst gab es für schwarze Basssänger nicht viel zu tun im klassischen Betrieb. Spencers Mentor, der Tenor Roland Hayes, riet ihm, keine Engagements anzunehmen und weiter an seiner Stimme zu arbeiten.
Den Durchbruch schaffte Spencer 1946 mit der Hauptrolle in einer Broadwayproduktion von »Showboat«. Mit dieser Rolle war bereits Paul Robeson in der Filmversion des Musicalklassikers 1936 berühmt geworden. Endlich erhielt Kenneth Spencer 1949 eine Einladung zu den Musikfestspielen in Nizza. Ein Jahr später heiratete er in Paris die weiße Kunsthistorikerin Josephine Clarke und zog 1954 nach Wuppertal. Seit 1952 spielte er in sieben deutschen Filmproduktionen mit, darunter »An jedem Finger zehn«, »Tausend Sterne leuchten« und »Unser Haus in Kamerun«, unternahm ausgedehnte Tourneen und spielte Platten ein. Dabei wechselte er gern zwischen Klassik und Pop, zwischen »Zauberflöte« und »Go, Man, Go«. Dieser beschwingte Titel findet sich übrigens auf besagter Doppel-LP. Und im Internet fand ich den Schnipsel eines weiteren swingenden deutschen Kenneth-Spencer-Titels: »Bärenjagd in Alaska«. Leider scheint gerade dieser Song in digitaler oder sonstiger Form nicht erhältlich zu sein. Kenneth Spencer starb am 26. Februar 1964 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von New Orleans.