Die antifeministischen »Maskulisten«

Die Abwehrmacht

Die angebliche Verweichlichung des Mannes, die die Journalistin Nina Pauer kritisiert, wird von der antifeministischen Bewegung der »Maskulisten« schon seit längerem beklagt.

Es ist ein klassisches Saure-Gurken-Thema, das alle paar Jahre wieder aus der Schublade gekramt wird: die neuen Männer. Diesmal war ein Artikel in der Zeit der Auslöser. Die Autorin Nina Pauer beschwerte sich darin über die »Schmerzensmänner«, langhaarige Weicheier, die sich den Erwartungen von Feministinnen angepasst und damit ihre Männlichkeit eingebüßt hätten. Glaubt man ihr, ist das Land bevölkert von Milchbubis, die den ganzen Tag romantische Musik hören und sich bemühen, es ihren Freundinnen recht zu machen. Seither ist die Presse von Taz bis FAZ damit beschäftigt, dem neuen Mann nachzuspüren. ­Einig sind sie sich dabei in einem: »Der« Mann steckt in der Krise. Mitleid und Selbstmitleid sind da häufig zu spüren: Diese Opfer des Feminismus wüssten gar nicht mehr, ob sie Frauen noch die Tür aufhalten dürften, und hätten mit ihrer Männlichkeit ihre Identität verloren.
Spätestens seit dem Amtsantritt von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) im Jahr 2009 scheint klar zu sein: Wenn ein Geschlecht Unterstützung braucht, dann das männliche. »Wir müssen die Männer stärker in den Blick nehmen«, war eine der ersten Ankündigungen der Ministerin. Um Frauenförderung geht es also schon lange nicht mehr. Stattdessen scheint die Angst verbreitet zu sein, Gender Mainstreaming sei ein Mittel, die allgegenwärtige Übermacht der Frauen zu zementieren.
So beklagt der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher seit Jahren die weibliche »Bewusstseins­industrie«, skandalisieren Spiegel und Zeit die miese Lage der Männer, wenn es gerade nichts anderes zu berichten gibt. Launige Kolumnen über weinerliche junge Männer und Reportagen über Papa-Cafés voll engagierter Väter vermitteln ein Bild, das mit der Realität wenig zu tun hat, aber dazu beiträgt, die Berechtigung feministischer Forderungen vergessen zu machen. Es bleibt nicht nur der Eindruck, so langsam sei es aber genug mit der Gleichstellungspolitik. Zugleich hilft diese Darstellung antifeministischen Männerrechtlern dabei, sich als Vertreter des unterdrückten Geschlechts und Kämpfer für ihre Rechte gegenüber dem »Feminat« zu inszenieren. Dabei wäre diese Verbrämung vielleicht gar nicht nötig. Denn mit ihrem Wunsch nach klarer Rollenverteilung stehen die Antifeministen eigentlich nicht sehr weit entfernt vom Mainstream. Nicht zufällig heißen Bestseller »Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken« oder »Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus«.
Nicht zuletzt die Piraten, die eigentlich »post-gender« sein wollen, widmen sich der Männerförderung. Die parteiinterne Männer-AG hat eine interessante Begründung für die schlechteren Bildungserfolge von Jungen: »Jungen haben keine Lobby.« Ihr Kampf gegen Gender Mainstreaming ist, wie der Soziologe Andreas Kemper in seinem 2011 im Unrast-Verlag erschienenen Buch »(R)echte Kerle. Zur Kumpanei der Männerrechtsbewegung« feststellt, eingebettet in ein Gesamtkonzept: den Kampf gegen »Political Correctness« und »Gutmenschentum«. Ihr Ziel ist jedoch nicht nur die Abschaffung positiver Maßnahmen, sondern die »Befreiung« der Männer von der Unterdrückung durch Frauen. Zu diesem Zweck ruft die AG zur Unterstützung von anti­feministischen Gruppen auf, mit denen die »feministische Lobby« bekämpft werden soll: »Die wenigen Männerrechtsgruppen, die es gibt (Manndat e. V., Väteraufbruch für Kinder, Berliner Männerrat), sollten von Politik und Medien, soweit es sinnvoll ist, genauso gefördert werden wie feministische Gruppierungen.«
Bei diesen Gruppen handelt es sich leider nicht um emanzipatorische Männerrechtsorganisa­tionen. Berechtigte Forderungen wie die nach einer besseren Gesundheitsvorsorge für Männer oder nach einer Gleichstellung beim Sorgerecht nehmen sie zum Anlass, um sich zur Gruppe der Opfer zu stilisieren. Dieser Diskurs geht einher mit der Selbstinszenierung der selbsternannten »Maskulisten« als Tabubrecher. Das Schema ist bekannt: Ob ein Martin Walser deutsche Kriegsopfer beklagt oder ein Thilo Sarrazin gegen Migranten hetzt, immer wird zunächst behauptet, es müsse ein Redeverbot gebrochen werden.
Ähnlich argumentiert auch der Bremer Pädagogikprofessor Gunnar Heinsohn, der fordert, Sozialleistungen generell auf fünf Jahre zu begrenzen. Denn die führten nur dazu, dass arbeitsunwillige Frauen aus dem Prekariat unerwünschte Kinder bekämen. Gerhard Amendt, emeritierter Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung der Universität Bremen und Stichwortgeber der »Maskulisten«, plädierte in der Welt für die Schließung aller Frauenhäuser. Denn diese seien Horte des Männerhasses und verhinderten die Wahrnehmung von weiblicher Gewalt gegen Männer. Radikale Männerrechtler gehen noch weiter und veröffentlichen Adressen von Frauenhäusern im Internet, ein Schritt, der für betroffene Frauen lebensgefährlich sein kann.
Der Buchautor Andreas Kemper sieht Parallelen zwischen den Strategien der Männerrechtsbewegung und denen rechtspopulistischer Organisationen wie der Partei »Die Freiheit«. Auch die Partei stelle sich als AntidiskriminierungsBewegung und Kämpferin für die Meinungsfreiheit dar, vertrete dabei aber Ideologien, die der »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit« zuzurechnen seien. Hinter Worten wie »Freiheit« und »Geschlechtergerechtigkeit« verberge sich die Forderung nach der Wiederherstellung alter Machtverhältnisse und die Abwertung des Anderen, in diesem Fall der Frauen.
Überschneidungen mit dem ganz rechten Rand sind bei den Männerrechtlern also kaum zu vermeiden und von den meisten Aktivisten und Bloggern wohl auch nicht gefürchtet. Darauf deuten jedenfalls die Links zur Jungen Freiheit und zum rechtsextremen Onlinelexikon Altermedia hin, die auf vielen der Seiten zu finden sind. Auch einige der Protagonisten der Bewegung sind beiden Lagern zuzurechnen. Arne Hoffmann etwa, ein Mitgründer der Männerrechtsorganisation Agens und späterer Pirat, scheut sich nicht, der Jungen Freiheit Interviews zu geben, und hat neben dem Ratgeber »Onanieren für Profis« auch das Buch »Warum Hohmann geht und Friedman bleibt. Antisemitismusdebatten in Deutschland von Möllemann bis Walser« veröffentlicht.
Die Forderung, männerspezifische Probleme anzugehen, scheint nur schwer von misogynen Äußerungen und der Relativierung von NS-Verbrechen trennbar zu sein. So verteidigt das antifeministische Onlinemagazin »eigentümlich frei« derzeit Erika Steinbachs Behauptung, die NSDAP sei eine linke Partei gewesen. Und das Blog »Mann pass auf« meint, Nazis mögen vielleicht irgendwie schlimm gewesen sein – selbstbestimmtes Handeln von Frauen sei aber de­finitiv schlimmer: »Zwar kennt der Feminismus keine Vernichtungslager aus Holz oder Stein. Dafür aber sterben die Menschen jetzt in warmen Mutterleibern«.
Abtreibung als Völkermord? Die Bandbreite der Themen ist groß in den Foren, sie reicht von persönlichen Erfahrungsberichten zum Sorgerechtsstreit über Vergewaltigungsphantasien bis zu Vergleichen Deutschlands mit dem Iran – nur eine wirkliche Analyse unterschiedlicher feministischer Positionen ist kaum zu finden. Feministinnen sind Männerhasserinnen, Homosexualität ist eine Perversion und männliche Feministen sind »Lila Pudel«. So sieht das einfache Weltbild aus.
Männer wie Andreas Kemper erhalten eine besondere Auszeichnung: Sie werden in die »Lila-Pudel-Liste« aufgenommen. Eine Definition des Begriffs findet sich im antifeministischen Wiki »Wikimannia«: Ein »lila Pudel« liebe es, »Frauen über sich selbst zu stellen« und fühle sich wohl, »wenn ihn Frauen demütigen, ihn dressieren«.
Der Soziologe Hinrich Rosenbrock, der die Netzwerke Agens, Manndat und »wgvdl« (»Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land?«) für eine Expertise des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich-Böll-Stiftung untersucht hat, kommt zu dem Schluss, es handle sich bei den überzeugten Antifeministen um eine relativ kleine Gruppe, die allerdings immer stärkeren Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehme. Mag sein, dass die pathologischen Frauenhasser eine Minderheit darstellen. Die paar Verwirrten, die eine Abschaffung des Straftatbestands der Vergewaltigung fordern oder Frauen nur als »Geschlitzte« bezeichnen, gab es schon immer.
Eine Gefahr stellt eher die intellektuelle Einflussnahme von Antifeministen dar, nicht nur bei den Piraten. In einem Blog des Goethe-Instituts für Leser aus der arabischen Welt darf Gerhard Amendt die Gleichberechtigung analysieren: »Ein grundsätzliches Problem ist dabei, wie die natürliche Arbeitsteilung, nach der der Mann die äußere Natur und die Frau die Reproduktion der Gattung durch das Gebären verkörpert, in ein austariertes zeitgemäßes Verhältnis gebracht werden kann.«
Mit dieser Sichtweise ist Amendt nicht allein. Für den Soziologieprofessor Walter Hollstein, einen der Stichwortgeber des Antifeminismus und frühen Vertreter der These von der »Krise der Männer«, kommt es einer Kastration gleich, wenn kleine Jungen zum Pinkeln im Sitzen erzogen werden, denn dem Penis sei »ein spezifisches männliches Erleben von Extrovertiertheit, Kraft und Produktivität adäquat«. Biologistische Argumente wie dieses dienen nicht nur dazu, die angeblich angeborenen Unterschiede von Mann und Frau zu affimieren. Sie nützen auch dem Opferdiskurs der »Maskulisten«. Denn wenn Männer zum Regieren, Frauen aber zum Gehorchen geboren sind, müssen Maßnahmen wie Quotenregelungen als Unterdrückung erscheinen.
Eine Krise der Männlichkeit, sagt der Sozialpsychologe Rolf Pohl, setze die Existenz einer klar bestimmbaren Männlichkeit voraus. Diese konstruierte Idee von Männlichkeit, die durch Gleichstellungspolitik und -diskurse in Frage gestellt werde, beruhe zunächst einmal auf dem Glauben an die männliche Überlegenheit. Insofern ist es nachvollziehbar, dass jegliche Gleichstellungspolitik für diese Männer einen Affront darstellt. Den antifeministischen Backlash hat Hedwig Dohm schon 1902 dargestellt: »Auf der einen Seite werden die Ansprüche immer radikaler, auf der anderen wird die Abwehr immer energischer. Letzteres ist erklärlich. Je dringender die Gefahr der Fraueninvasion in das Reich der Männer sich gestaltet, je geharnischter treten ihr die Bedrohten entgegen.« Schade nur, dass diese Männer auch jeder progressiven Männerbewegung im Weg stehen.