Das Schuldenspiel Deutschland vs. Griechenland

Kein Zurück

Dass die Bundesregierung die europäische Wirtschaft zugrunde richtet, wissen mittlerweile alle. Gerade deshalb wird sie damit weitermachen.

Sie waren ein gefundenes Fressen für die deutschen Medien, jene in Griechenland kursierenden Zeichnungen, die deutsche Politiker zu Repräsentanten eines »Vierten Deutschen Reichs« stilisieren. In den vergangenen Tagen dürften derartige Karikaturen besonders beliebt gewesen sein. Die Tatsache, dass die Bundesregierung enormen Druck auf Griechenland ausübte, sich dem Spardiktat zu beugen, verfestigt bei vielen Griechen die Ansicht, dass ihr Land zu einem deutschen Protektorat verkommen sei. Dass sich nun sogar verschiedene Berufsverbände in Griechenland auf einen Boykott deutscher Produkte geeinigt haben, mag die dortige Stimmung gegenüber Deutschland verdeutlichen.
Bisher wurden solche Bekundungen in deutschen Medien als Beleg der griechischen Unverfrorenheit angeführt. Statt sich an die eigene Nase zu fassen, gäben die Griechen lieber anderen die Schuld an der Misere. Langsam dämmert es jedoch selbst der deutschen Presse, dass die Schuldfrage neu beantwortet werden muss. »Das Konzept, die Regierung faktisch zu entmündigen, dann zu rationalisieren, auszulagern und die verbleibenden Beschäftigten so niedrig zu entlohnen, dass sie kaum noch davon leben können, ist auf ganzer Linie gescheitert«, stellt etwa Cerstin Gammelin in der Süddeutschen Zeitung fest, als ob es überraschen würde, dass Verarmungspolitik zu Verarmung führt. Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger befand, das Griechenland-Programm sei »von Anfang an falsch angelegt« worden. »Durch die Sparmaßnahmen wurde die Wirtschaft abgewürgt, dies ließ die Defizite steigen, woraufhin die Troika noch schärfere Spar­anstrengungen forderte«, so Bofinger, der einen »Teufelskreislauf« entdeckt haben will. Die »Experten« erkennen langsam das Offensichtliche.
Im Ausland gehören solche Töne über die deutsche Krisenpolitik längst zum Standardrepertoire der Medien. Äußerungen wie die des US-Investors George Soros, dass Griechenland wegen der von Deutschland forcierten Austeritätspolitik »gar nicht mehr zu retten« sei und dass es, falls diese Politik fortgesetzt wird, anderen Euro-Ländern ebenso ergehen werde, hört man dort nicht zum ersten Mal. Schon vor einigen Wochen hatten amerikanische Rating-Agenturen zahlreiche EU-Länder herabgestuft – weil sie eben kaputtgespart würden. Tatsächlich ist die griechische Wirtschaft durch die »Rettungsmaßnahmen« erst richtig eingebrochen, und zwar in einem Ausmaß, wie es selbst Ländern in Kriegen selten widerfahren ist. Trotzdem wird nach Programm fortgefahren. So ließ sich von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor wenigen Tagen vernehmen, dass ein weiteres Hilfsprogramm für Portugal anstehen könnte. Schon fürchtet man sich dort vor der Troika und Athener Verhältnissen. Dabei hat gerade Portugal die geforderten Sparziele sogar übererfüllt – die Konjunktur des Landes siecht dementsprechend dahin. Dennoch ist nicht damit zu rechnen, dass Deutschland seine europäische Krisenpolitik korrigieren wird. Gerade jetzt gilt es für die Bundesregierung, diese umso konsequenter durchzusetzen. Das Eingeständnis, dass man maßgeblich ganze Volkswirtschaften zertrümmert hat, kann sich eine Führungsmacht einfach nicht leisten.
Siehe auch Kommentar Seite 15