Dekonstruieren die Filme der Berlinale Geschlechterrollen?

Mehr Queerness!

Nicht wenige Filme der Berlinale reproduzieren überkommene Geschlechterrollen.

Eine Berlinale der Frauen, womöglich der neuen Frauen, die den »Schmerzensmann« ablehnen, wer will das schon? Selbstverständlich ist es höchst bedauerlich, dass der diesjährige Wettbewerb wieder fest in männlicher Regiehand ist. Der einzige Wettbewerbsfilm, bei dem eine Frau Regie geführt hat, heißt passenderweise »Sister« und handelt von benachteiligten Menschen, die seit jeher zum Fachgebiet der Frauen zählen, in diesem Fall der Regisseurin Ursula Meier.
Suchen wir nun spaßeshalber weiter nach Alibifrauen, so werden wir zwar bei den drei deutschen Beiträgen der diesjährigen Berlinale fündig, doch das Grinsen vergeht uns dort schnell. »Barbara« von Christian Petzold, »Was bleibt« von Hans-Christian Schmid und »Gnade« von Matthias Glasner warten zwar mit Darstellerinnen wie Nina Hoss, Corinna Harfouch und Birgit Minichmayr in den Hauptrollen auf. Was aber ist ihr Schicksal? Eine der Frauen ist immerhin werktätig und zwischen einem Ost- und einem West-Mann hin- und hergerissen, die zweite ist Mutter und manisch-depressiv, die dritte ist Ehefrau und von Schuldgefühlen gemartert. Auch nicht besser ergeht es Isabelle Huppert in »Captive«, dem undurchsichtigen Werk des philippinischen Independent-Regisseurs Brillante Mendoza: Huppert spielt eine Entwicklungshelferin, die von muslimischen Extremisten entführt wird. Nur manchmal lässt sich erahnen, wie es sich anfühlt, wenn einem nicht nur die Freiheit genommen wird, sondern frau auch in absoluter Ungewissheit über ihr künftiges Schicksal gelassen wird. Auch der 18jährigen Gaelle in dem französischen Wettbewerbsbeitrag »Home« ergeht es nicht anders. Acht Jahre wird sie in einem fensterlosen Keller gefangen gehalten, nach ihrer Flucht sucht sie ihren Weg zurück in die Gesellschaft.
Wenden wir uns den befreienden queeren Momenten des Filmfestes zu! So eröffnete beispielsweise die Sektion »Perspektive Deutsches Kino« ihren Filmreigen mit Katarina Peters Dokumentarfilm »Man for a Day« über einen Workshop der Gender-Aktivistin und langjährigen Drag-King-Pionierin Diane Torre. Was macht den Mann denn eigentlich zum Mann, was die Frau zur Frau? Können wir uns womöglich eine andere Körpersprache aneignen und bei Bedarf lustvoll mit den althergebrachten oder ausgedienten Rollen spielen? Fünf neugierige Berliner Frauen treibt diese Frage in den Workshop. Der Film jedenfalls lässt einen die Geschlechterpolitik der gesamten Berlinale und die Gender-Performance der angereisten Stars auf dem roten Teppich mit anderen Augen betrachten. Der langweiligste Eröffnungsfilm aller Zeiten, »Leb’ wohl, meine Königin«, der sich mit Revolution und lesbischer Liebe über die Zeit rettet, ist schnell vergessen, wenn man »Words of Witnesses« von Mai Iskander und Hanan Abdallas Dokumentarfilm »In the Shadow of a Man« gesehen hat. Hier agieren sture arabische Frauen, die mit Mut und zuweilen auch Galgenhumor gegen althergebrachte Rollen und für eine neue Gesellschaft kämpfen.