Elias Perabo im Gespräch über die internationale Solidarität mit Syrien

»Der Maßstab ist nicht Pazifismus«

Seit dem Herbst 2011 kann man Pate der syrischen Revolution werden. Die deutsche Kampagne »Adopt a Revolution« unterstützt Basiskomitees der syrischen Opposition. Der 31jährige Elias Perabo gehört zu den Initiatoren der Kampagne.
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Wie kann man Revolutionen adoptieren?
Man kann sie solidarisch unterstützen, indem man, durch uns vermittelt, eine sogenannte Revolutionspatenschaft für ganz konkrete lokale Aktivistenkomitees in Syrien übernimmt. Wir wollen eine emotionale und solidarische Verbindung herstellen zu dieser Revolution.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich hatte in den vergangenen elf Monaten viel mit syrischen Oppositionellen zu tun. Wir saßen zusammen und haben darüber diskutiert, weshalb es so wenig Solidarität gibt, weshalb aus der Zivilgesellschaft so wenig Unterstützung kommt für die syrische Opposition. Dann haben wir überlegt, was die Aktivistinnen und Aktivisten in Syrien konkret brauchen. Und so sind wir auf die Idee gekommen, diese finanziell sehr prekären Komitees, die sich größtenteils durch Spenden aus der Nachbarschaft finanzieren, nicht nur einmalig, sondern dauerhaft finanziell zu unterstützen.
Und wer finanziert Ihre Kampagne?
Wir arbeiten unentgeltlich. Für die Kosten, die nicht ehrenamtlich gedeckt werden können, haben wir einen Zuschuss von der Bewegungsstiftung über 6 000 Euro erhalten. Für operative Kosten ziehen wir einen Teil der Patenschaftsgelder ab, zehn bis 20 Prozent, um die Arbeit zu finanzieren.
Sie unterstützen ganz konkrete Widerstands­projekte, die auf Ihrer Website detailliert vorgestellt werden. Woher kennen Sie all diese Projekte so genau?
Wir kooperieren ganz stark mit zwei großen Netzwerken aus Basisinitiativen, den Local Coordination Committees und der Syrian Revolution General Commission, als dritten, kleineren Partner haben wir noch eine Vertretung der kurdischen Jugend dazugenommen. Außerdem war ich selbst im April und Mai in Syrien und habe dort mit diesen Netzwerken zusammengearbeitet. Aber es gibt natürlich noch sehr viel mehr Oppositionsgruppen als jene, die wir unterstützen.
Warum gerade Syrien? Auch im Iran oder in Saudi-Arabien herrschen antidemokratische Despoten.
Das hat mit der persönlichen Nähe zu den Aktivisten zu tun. Außerdem sind aus unserer Sicht die Kämpfe in Syrien in ihrer Brutalität und Aktualität die entscheidenden Kämpfe im Moment. Perspektivisch ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir auch Basisgruppen in anderen Ländern unterstützen.
Weshalb existiert kaum Unterstützung für ­Syrien in Deutschland?
Es gibt unglaublich wenig Interaktion in der gesamten Linken bezüglich der arabischen Revolution. Bei Ägypten gibt es so eine Art wohlwollendes Nicken, aber insgesamt existiert fast gar keine Form direkter Solidarität.
Und woran liegt das?
Syrien als Land ist vielen weitgehend unbekannt. Die Nähe zu Ägypten ist viel größer, auch weil die Aufstände dort live im Fernsehen übertragen wurden. Bei Syrien ist das anders. Da greifen rassistische Ressentiments gegen muslimische und arabische Aktivisten stärker.
In der deutschen Linken gibt es auch einige, die sich dem Assad-System traditionell verbunden fühlen.
Richtig, das kommt dazu. An bestimmten Punkten gibt es eine extrem krude Solidarität mit dem sozialistischen Bruderdiktator. Natürlich ist die politische Einordnung nicht ganz so einfach, immerhin ist Syrien eine relativ säkulare, wirtschaftlich relativ entwickelte Gesellschaft. Gleichzeitig ist Syrien eine Diktatur, die brutal gegen emazipatorische Bewegungen vorgeht. Ein Teil der deutschen Linken schaut nur auf den ersten Aspekt und übersieht den zweiten. Wir bemerken bei unserer Arbeit, wie Teile der Friedensbewegung extrem nervös sind und an ihren alten antiimperialistischen Mustern festhalten, nach denen der größte Feind immer die Nato ist. Dabei ignorieren sie aber die Arbeit und die Hoffnungen der Opposition vor Ort.
Gab es denn auch positive Reaktionen auf Ihre Kampagne?
Ja. Die deutsche Linke ist da gespalten. Wir haben Partner wie Medico International, die Friedenskooperative und das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Aber auf der anderen Seite, aus dem Spektrum der Jungen Welt etwa, gibt es starke Kritik an unserem Wirken.
Mit Ihrem Projekt wollen Sie »zivilgesellschaftliche Intervention« stärken, auch »um eine militärische Eskalation unwahrscheinlicher zu machen«. Bedeutet das, dass Sie eine militärische Intervention wie in Libyen ablehnen?
Ja, wir und die Netzwerke lehnen eine ausländische militärische Intervention wie in Libyen ab. Ob es einen bewaffneten Arm des Widerstands geben soll, ist eine andere Frage. Da sind die Netzwerke auch unterschiedlicher Meinung. Aber wir denken, dass jede weitere Militarisierung des Konflikts den Organisierungsprozessen, die gerade stattfinden und die sehr fruchtbar sind, entgegen wirkt. Leute aus den Basiskomitees sagen uns: Mehr Militarisierung bedeutet, dass unsere Bedeutung in diesem Widerstand abnimmt.
Nun ist aber Pazifismus nicht unbedingt das, was man historisch mit einer Revolution verbindet. Es sieht gerade nicht so aus, als sei ­Assad mit Flugblättern zu stürzen.
Der Maßstab ist nicht Pazifismus. Die Komitees begrüßen die Free Syrian Army, die ihre Demonstrationen mit Waffen beschützt. Sie selbst haben als Aktionsform aber die unbewaffnete Demons­tration gewählt. Sie schauen mit großer Skepsis nach Libyen und sagen, das bringe gerade auch für den Prozess nach einem Sturz der Diktatur nichts, wenn alle bewaffnet durch die Straßen laufen. Wenn es einen bewaffneten Arm gibt, so argumentieren sie, soll er koordiniert und bestimmten Befehlsstrukturen unterstellt sein. Wir als Kampagne legen aber Wert darauf, den unbewaffneten Teil der Opposition zu unterstützen.
Wie viele Menschen haben sich bisher an Ihrer Kampagne beteiligt?
Wir haben inzwischen über 700 Revolutionspatenschaften und fördern knapp 25 Komitees, die wir über die nächsten Monate mit jeweils 700 bis 900 Euro unterstützen können.

Weitere Informationen zur Kampagne im Internet unter: