Assads Freunde in Venezuela

Genosse Chávez kämpft mit

Die syrische Führung kann sich in ihrem Krieg gegen die eigene Bevölkerung auf die Unterstützung sozialistisch geführter Länder verlassen. Ganz vorne steht dabei Venezuela. Die vor allem ökonomischen Beziehungen zwischen Syrien und dem lateinamerikanischen Land sind Teil einer politischen Strategie.

Hugo Chávez betet nicht nur für den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Die venezolanische Regierung unterstützt Assads Krieg gegen die revoltierende Bevölkerung auf viel effektivere Weise, nämlich mit der Lieferung von Diesel, das als Heizöl, aber auch als Treibstoff für Panzer genutzt werden kann. Vergangene Woche ging eine Lieferung der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft PDVSA in Wert von 500 Millionen Dollar im syrischen Hafen Baniyas ein.
Chávez stellt sich so demonstrativ auf die Seite des syrischen Präsidenten und rechtfertigt dies mit dem Argument, die Gewalt in Syrien gehe von »westlichen Terroristen« aus. »Die Angriffe gegen Syrien gehen weiter. Der Westen geht genauso vor wie in Libyen: Er produziert Gewalt, schickt Terroristen aus dem Ausland und dann ruft er nach den Vereinten Nationen«, sagte Chávez in einer Rede im Februar. Assad kämpfe gegen »eine Aggression der Yankee-Imperialisten und ihrer europäischen Verbündeten«. Venezuela sei solidarisch »mit dem syrischen Volk, mit Präsident Assad«, sagte er weiter.
Venezuela, das vor kurzem in der UN-Vollversammlung neben Russland, Nordkorea und Algerien gegen die Verurteilung der Gewalt des syrischen Regimes stimmte, gehört zu den engsten Verbündeten Syriens. Bereits 2009 vertieften die beiden Länder ihre diplomatischen und politischen Beziehungen. Chávez besuchte im Rahmen seiner letzten größeren Auslandsreise im September 2009 international isolierte Länder wie den Iran, Syrien und Weißrussland, um strategische Allianzen zu bilden. Im iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad, dem ehemaligen libyschen Präsidenten Muammar al-Gaddafi und dem syrischen Staatsoberhaupt Assad fand der venezolanische Präsident ideale Bündnispartner, die sein antiimperialistisches Weltbild und seine antiisraelische Haltung teilen. Eine angeblich gemeinsame Geschichte, geprägt von Kolonialismus, Unterdrückung und US-amerikanischen Interventionen, sei die Grundlage der Solidarität zwischen diesen Staaten.

Mit der Isolation Syriens durch George W. Bushs Politik der »Achse des Bösen« begann die Regierung unter Assad, ihre Außenpolitik zu diversifizieren. Die »Strategie der fünf Meere«, die Syriens Position als eine Art Schnittstelle zwischen Mittelmeer, Rotem und Schwarzem Meer sowie Kaspischem Meer und dem Persischem Golf betrachtet, wurde neu aufgelegt. Die syrische Außenpolitik verfolgte das Ziel, sich von den westlichen Hegemonialmächten unabhängiger zu machen. Im Oktober 2010 wurde bekannt, dass Syrien Gastmitglied des von Chávez ins Leben gerufenen Bündnisses »Bolivarianische Allianz für die Völker Unseres Amerika« (Alba) werden sollte. Dem Bündnis gehören neben kleineren Karibikstaaten Venezuela, Ecuador, Kuba, Bolivien und Nicaragua an. Die Stärkung der Beziehungen zwischen Syrien und den lateinamerikanischen Ländern war Teil der neuen außenpolitischen Strategie der syrischen Führung.
Als weltweit sechstgrößter Produzent von Olivenöl beschloss Syrien außerdem, Venezuela zum Hauptexportpartner für das Produkt zu machen. Von dem nördlichsten Land Südamerikas wird das Öl über den Kontinent vertrieben. Für den Transport wird eine direkte Flugverbindung zwischen Caracas und Damaskus genutzt. Darüber hinaus kooperieren die venezolanische und die syrische Regierung im Bereich des Tourismus und betreiben eine Joint Venture im Ölgeschäft in der Größenordnung von fünf Milliarden Dollar. Eine geplante Raffinerie soll 140 000 Barrel täglich verarbeiten. »Venezuelas Beziehung zu Syrien ist strategisch und nicht nur auf ökonomischen Austausch und Handelskooperation beschränkt«, sagte der venezolanische Außenminister Nicolás Maduro Moros Anfang vergangenen Jahres.
Tatsächlich ist die Kooperation der beiden Staaten Teil einer politischen Strategie. So kennt Venezuela den syrischen Anspruch auf die Golanhöhen an und teilt allgemein die antiisraelische Haltung im Kampf gegen den »Imperalismus« sowie die Verschwörungstheorien über den Westen, wie sie Gaddafi vertrat und heute noch von Ahmadinejad und Teilen der algerischen Staatsführung verbreitet werden. Abdelaziz Belkhadem, der Generalsekretär der Partei Front der nationalen Befreiung Algeriens, die während des Unabhängigkeitskrieges des Landes eine wichtige Rolle spielte, kritisierte am 19.Februar, dass die Arabische Liga den Sicherheitsrat zu Hilfe gerufen hatte. Ihm zufolge bringen sich Syrerinnen und Syrer gegenseitig um.
Diese kooperierenden Staaten – einschließlich der Mitglieder des Alba-Bündnisses – verbindet die Suche nach Alternativen zum herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystem und der Abhängigkeit von den USA und Europa. In einigen Staaten, wie in Syrien, im Iran und in Algerien, spielen sozialistische Ideale – etwa das Streben nach sozialer Gerechtigkeit – keine Rolle mehr, und die autokratischen Regimes wenden gewalttätige Methoden an, um sich an der Macht zu halten. Die Freund-Feind-Unterscheidung von kapitalistischen und sozialistischen Ländern ist der strategischen Suche nach Bündnispartnern mit gemeinsamen militärischen und wirtschaftlichen Interessen gewichen.

Venezuela ist ein Land, in dem soziale Gerechtigkeit und Mitbestimmung große Bedeutung haben, in den vergangenen Jahren verbesserten zahlreiche soziale Programme die Lage der ärmeren Bevölkerungsschichten, Mitbestimmungsrechte wurden gewährt. Umso erschreckender ist es zu sehen, wie Staatspräsident Chávez Assads Massaker an der syrischen Bevölkerung nicht nur leugnet, sondern auch tatkräftig unterstützt, ebenso wie er es bei den Massakern von Gaddafi Anhängern während der Revolution in Libyen tat. Mit dem Regime in Syrien hat Venezuela gemeinsam, dass die Medien überwiegend in den Händen regierungstreuer Personen sind. Der venezolanische Fernsehsender Venezolana de Televisión (VTV) berichtet nur von Demonstrationen der Befürworter Assads, wie etwa von einer Kundgebung, auf der sich vor kurzem Anhänger des Regimes bei Russland dafür bedankten, dass es sich bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto erfolgreich gegen eine militärische Intervention in Syrien eingesetzt habe.