Über Software und Freiheit

Eine Frage der Freiheit

Hersteller von Computern und Smartphones schränken die Freiheit der User immer stärker ein. Die Möglichkeiten, zu entscheiden, welche Software auf dem eigenen Gerät läuft, werden immer geringer.

Oft wird »freie Software« als Synonym von »Open Source« verwendet, doch beide Begriffe bezeichnnen sehr Unterschiedliches. Die Offenlegung des Quelltexts von Programmen ist genau genommen nur die Vorbedingung für zwei von vier Kriterien dafür, dass eine Software wirklich frei ist. Eingeführt hatte diese Bewertungsskala Richard Stallman, ein Informatiker und Vordenker der Free-Software-Bewegung.
Das erste Kriterium, auch »Freiheit 1« genannt, ist die Freiheit der User, »die Funktionsweise des Programms zu untersuchen und eigenen Bedürfnissen der Datenverarbeitung anzupassen. Der Zugang zum Quellcode ist dafür Voraussetzung.« Bei kommerzieller Software ist diese Voraussetzung meistens nicht erfüllt, ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Kriterium, der Kopierbarkeit: »Freiheit 2« ist nämlich »die Freiheit, das Programm weiterzuverbreiten und damit seinen Mitmenschen zu helfen«. Immerhin erfüllt fast jede Software ein Kriterium, nämlich »Freiheit 0«: »die Freiheit, das Programm zu jedem Zweck auszuführen«. Freie Software ist damit eine Sache der Freiheit und eben nicht einfach des Preises einer Software.

Wenn ein Nutzer keine Kontrolle über ein Programm hat, wird er vom Programm gesteuert. User fühlen sich dadurch nicht nur den Eigen­arten der Software ausgeliefert – vor allem, wenn das Programm sie immer wieder zu Schritten zwingt, die dem eigenen Empfinden nach völlig unnötig sind. Der Mensch wird damit zum Sklaven des Rechners, der doch eigentlich das Leben erleichtern soll. Doch diese Verkehrung geht noch einen wichtigen Schritt weiter: Der Hersteller ist für das Verhalten der Software verantwortlich und übt letztlich mit Hilfe seines Programms eine Macht über den User aus.
Im Normalfall haben Nutzer die Wahl, ein Programm einzusetzen oder eine Alternative auszuwählen. Am Beispiel von Betriebssystemen lässt sich das am einfachsten nachzuvollziehen, da die Anzahl der Angebote überschaubar ist: Wer Windows nicht mag, kauft sich eben einen Mac oder installiert Linux. Auch bei den einzelnen Programmen können User eine Auswahl treffen, etwa bei der Software zur Textverarbeitung. Ob Micro­soft, Apple oder Open Office, das Wichtige dabei ist: User haben die Wahl, welches Programm sie verwenden wollen.
Das ist ein nicht unbeträchtliches Machtmittel in der Hand der Nutzer, denn Hersteller, die es mit der Kontrolle zu weit treiben, werden in aller Regel dafür bestraft. Microsofts Betriebssystem »Windows Vista« wurde etwa auch deshalb zum Riesenflop, weil die übersteigerten Anforderungen und die Rechtevergabe nicht dem entsprachen, was die Anwender wollten.
Doch seit Apple mit dem I-Phone ein Smartphone auf den Markt gebracht hat, das in Wirklichkeit eher ein Minicomputer als ein Mobiltelefon ist, gibt es eine neue Instanz, welche die Freiheit bei der Wahl von Programmen einschränkt. Der Hersteller Apple erlaubt auf seinen Smartphones nur die Nutzung von Software, die über den vom Unternehmen selbst betriebenen und kontrollierten »Appstore« heruntergeladen wird. Damit trifft der Hersteller des Minicomputers und des Betriebssystems eine Vorauswahl für die User, denn was Apple nicht gefällt, gibt es auch nicht im Appstore. Dies bedeutet zugleich, dass Apple die Kontrolle über die Nutzer und die Hersteller der Software übernimmt. Die Hersteller müssen sich den Wünschen von Apple anpassen, damit ihre Software für Apple-Kunden zugänglich gemacht wird, I-Phone-Nutzer müssen sich mit der Auswahl begnügen, die Apple angemessen findet.

Das bekannteste Beispiel ist dabei die App des Playboy: Weil Apple keine Inhalte für Erwachsene erlaubt, bietet die App keine Nacktbilder an. In diesem speziellen Fall ist das nicht besonders bedauernswert, aber der Umgang mit diesen Inhalten illustriert ein grundsätzliches Problem. Die Kunden des Playboy bekommen nicht, was sie sich von dieser App versprechen. Apple schränkt sowohl die Hersteller als auch die Kunden in ihren Interessen ein. Nach dem gleichen Prinzip könnte sich die Firma dafür entscheiden, bestimmte politische Meinungen zu verbieten – etwa mit der Begründung, sie könnten zu kontroversen Diskussionen führen –, und zum Beispiel die Apps bestimmter Medien nicht im Store anbieten. Im Grunde könnte das Unternehmen als allmächtiger Vermittler zwischen Hersteller und Kunden jegliche Auflagen durchsetzen. Wer schon einmal in einem Internet-Forum auf einen Wort­filter gestoßen ist, der Buchstabenkombinationen durch Sternchen ersetzt, und sich deshalb darüber geärgert hat, dass aus dem Wort »Arbeitsexemplar« halsstarrig »Arbeit***emplar« gemacht wurde – weil das Programm das Wort »Sex« durchgehend entfernt – weiß, wie ohnmächtig man sich fühlen kann. Man kann sich gut vorstellen, wie bevormundend es wäre, wenn sich ein Vermittler entscheiden würde, einen solchen Filter für alle Programme, die mit Texten umgehen, verpflichtend zu machen.
Bislang betrifft die Beschneidung in der Auswahl der Programme nur den Appstore. Doch Microsoft plant für sein neues Betriebssystem Windows 8 etwas Ähnliches. Windows 8 wird das erste Windows-Programm sein, dessen Version für Smartphones und Tablets identisch mit der Version für den PC sein wird. Das ist der Grund, weshalb das Unternehmen das Software-Vertriebsmodell für Apps von Apple übernehmen will. Damit wird die Wahl der Software auch im Betriebssystem von Microsoft eingeschränkt und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann Apple für sein Betriebssystem Mac OS X nachziehen wird.
Bisher haben Microsoft und Apple nur insofern ein Interesse an der weiten Verbreitung ihrer Betriebssysteme, weil sie dadurch mehr Lizenzen verkaufen – auch mit zusätzlichen Paketen wie Office. Wenn aber der Plan aufgeht, die Entscheidung über das Software-Angebot zu monopolisieren, kommt als weiteres Argument für die möglichst große Verbreitung noch die Macht über die Software-Hersteller und -Nutzer hinzu. Es wird also noch viel wichtiger, das eigene System zu verbreiten oder den Verbreitungsgrad zu erhalten, indem man dem Nutzer einen Wechsel möglichst erschwert.

Auch das kennt man schon von den Handys. Die Hardware und das vorinstallierte Betriebssystem sind genau aufeinander ausgelegt. Auf einem ­I-Phone kann man kein Android oder Windows Mobile installieren, entsprechendes gilt für die Smartphones anderer Hersteller. Etwas Ähnliches ließe sich auch auf herkömmliche Computer übertragen. Dass dies funktioniert, zeigt Microsoft bereits mit der hauseigenen Spielekonsole, der X-Box. Im Prinzip ist nur ein kleines Bauteil auf der Hauptplatine des Computers nötig – und schon würde der Computer nur mit dem für ihn bestimmten Betriebssystem starten. Für Alternativen müsste man zum Lötkolben greifen, was das Erlöschen der Garantie und den Verlust der Nutzbarkeit des eigentlichen Betriebssystems zur Folge hätte.
Wer aber das Originalbetriebssystem nicht mehr verwenden kann, für den wird dann zum Beispiel auch die online gekaufte und heruntergeladene Musiksammlung unbrauchbar, falls diese auch bei den Herstellern des Betriebssystems gekauft wurde. Das Modell gibt es bei Apple bereits, es nennt sich I-Tunes Store, auch wenn man die heruntergeladenen Songs derzeit noch auf nicht von Apple stammenden Geräten nutzen kann. Aber um die Kontrolle über die Daten zu behalten, hat Apple seit einigen Monaten ­I-Cloud im Angebot, ein Programm, das Nutzern den Zugriff auf die eigene Sammlung von jedem Gerät aus ermöglicht.
Derzeit lassen sich Computer letztlich für ­alles einsetzen, was User gerne machen würden, wenn sie über das nötige Wissen verfügen. Doch in einer Welt, in der andere bestimmen, was auf einem Computer möglich ist, kann es schnell zu schwierigen Situationen kommen. Die Film- und Musikindustrie müsste zum Beispiel nicht mehr aufwendig und mit viel Lobbyarbeit auf Regierungen einwirken, um die Urheberrechte zu erweitern. Sie könnte einfach zwei Firmen dafür bezahlen, keine Programme anzubieten, mit denen ihre Inhalte kopiert werden können. Das wäre das Ende des universellen Computers und damit auch der Freiheit von Computernutzern. Richard Stallman erkannte diese Gefahr bereits 1985, als er die Free Software Foundation gründete und die Kriterien für freie Software festlegte.