Bremen plant eine Waffensteuer

Getroffene Schützen

Das Bundesland Bremen plant die Einführung einer Waffensteuer. Die Schützen ­geben sich empört.

Heißblütigkeit ist keine sehr vorteilhafte Eigenschaft für Waffenbesitzer. Genau diese aber bewiesen die Bremer Schützenbrüder, als die rot-grüne Landesregierung in den vergangenen Wochen darüber nachdachte, sie künftig für einen Teil ihrer Waffen eine Steuer zahlen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende, der Rechtsanwalt Björn Tschöpe, in die Bürgerschaft eingebracht.
In seiner Post fanden sich danach Briefe, deren Verfasser ihm vorwarfen, er wolle »das Volk entwaffnen, weil euch der Arsch auf Grundeis geht«. Ein anderer Sportschütze drohte Tschöpe mit den Worten: »Erst wenn ihr in die Mündungen dieser Waffen schaut, werdet ihr begreifen.« Der bayerische Blogger und Schießlehrer Michael Kuhn, der den »privaten Waffen-Blog« guntalk.de betreibt, stellte fest, dass die rot-grüne Koalition eigentlich »braun« sei und aus »gewissenlosen Volksverrätern« bestehe, ergänzt durch den Hinweis, es gebe »in diesem Land wieder Menschen«, die in »Goebbels-Manier diffamiert« würden – gemeint waren die Schützen. Vergleichweise harmlos war da noch der Vorschlag eines Waffensammlers, die SPD wegen ihrer Steuerpläne »mit Gutachten totzuschmeißen«.

300 Euro sollen die Waffenbesitzer in Bremen künftig pro Jahr und Schusswaffe bezahlen, am vergangenen Donnerstag erteilte die Bürgerschaft dem Senat den Auftrag, die Formulierung eines entsprechenden Gesetzes zu prüfen und es dann auf den Weg zu bringen. Auch die Linkspartei stimmte dem Antrag zu. Auf diese Weise sollen mehrere Millionen Euro jährlich in die Kassen des verschuldeten Bundeslandes fließen. »Die Haushaltsnotlage verpflichtet uns, eine solche Steuer zu prüfen«, sagte Tschöpe. Auf diese Weise sollen auch die Kosten gedeckt werden, die der Stadt durch den Waffenbesitz entstehen, etwa jene für bessere Kontrollen der Aufbewahrung von Sportwaffen.
Rund 17 000 Waffen sind in Bremen in Privatbesitz registriert. Davon entfallen ungefähr 5 000 auf Jäger, 3 500 auf Sportschützen und 2 000 auf Sammler. Nur 50 gehören Wachunternehmen. »Meiner Meinung nach sind das eindeutig zu viele«, sagt Tschöpe. Es sei nicht einzusehen, warum es einen Anspruch darauf geben solle, sein Hobby mit gefährlichen, großkalibrigen Waffen zu betreiben. Wenn durch die neue Steuer die Anzahl der in Privatbesitz befindlichen Waffen reduziert werde, »so ist das eher ein Vorteil als ein gesellschaftlicher Nachteil«. Denn: »Je weniger Waffen im Umlauf sind, desto besser.« Dabei will Tschöpe noch nicht einmal alle Waffen besteuern: Jene von Sicherheitskräften sind ausgenommen, ebenso eine begrenzte Anzahl Jagdwaffen, weil Jäger einen öffentlichen Auftrag haben. Vereine sollen auch keine Steuern für ihre Waffen bezahlen müssen.

Ähnliche Überlegungen gibt es auch in anderen Bundesländern. Nach dem Amoklauf von Winnenden waren zunächst die Vorschriften für die Aufbewahrung von Waffen verschärft worden. Die gestiegenen Kosten für die seither häufigeren, unangemeldeten Kontrollen der Waffenbesitzer werden von Tschöpe als Grund für die Einführung der Steuer angeführt. Schon damals war die Verschärfung von vehementem Protest der Waffenbesitzer begleitet gewesen. Verbände wie das »Forum Waffenrecht« (Jungle World 32/10) riefen gar das Bundesverfassungsgericht an. Die Lobby der Waffenbesitzer ist stark: Zwei Millionen Schützen sind in Deutschland in Verbänden wie dem »Bund der Militär- und Sportschützen«, der »Deutschen Schießsport-Union«, dem »Deutschen Jagdschutz-Verband«, dem Reservistenverband oder dem »Verband Deutscher Büchsenmacher« organisiert. Sie besitzen zehn Millionen legale Waffen und kaufen jedes Jahr etwa eine Million neue.

Heftige Gegenwehr ist nun also zu erwarten, wenn es darum geht, die Schützen auch zwecks einer Verringerung ihres Büchsenbestandes zur Kasse zu bitten. Erfolg hatten die Proteste in Göttingen: Die Stadt verabschiedete sich 2011 von ihren Plänen für eine Waffensteuer. Stuttgart hatte schon 2010 ähnliche Pläne formuliert, die Sache führte jedoch bisher zu keinem Ergebnis. Nun aber gehen nicht einzelne Städte, sondern Länder das Vorhaben an, eine Bundesratsinitiative könnte drohen. Neben Bremen denken auch Schleswig-Holstein und Hamburg über die Einführung der Steuer nach. 74 165 Waffen sind in Hamburg registriert, hat der SPD-Abgeordnete Arno Münster per Par­lamentsanfrage herausgefunden. »Schon als wir nur die Anfrage gestellt hatten, brach ein Sturm los«, sagte Münster der Taz. »Ziemlich heftig« fand auch der Sprecher des südschleswigschen Wählerverbandes SSW, Lars Bethge, die Reaktionen auf den Vorschlag seiner Partei, eine »Haltung des Landes zu einer möglichen Bundessteuer zu entwickeln«.
Auch in Bremen regte sich die Opposition. Die stramm konservative CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann nannte, voller Sorge um das Brauchtum und in bestürzend schräger Logik, die Steuerpläne eine »Kriminalisierung« der Schützenbrüder und -schwestern. Eine davon ist ihre Fraktionskollegin Gabi Piontkowski, die die Steuer als »Schlag ins Gesicht der Schützenvereine« bezeichnete – obwohl die Vereine gar nicht von der Steuer betroffen wären.
Ähnlich wie die Weißblechindustrie das unter dem grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin eingeführte, verhasste Dosenpfand abzuwehren trachtete, indem sie versuchte, den Begriff »Zwangspfand« zu etablieren, betreiben auch die widerständigen Schützen Sprachpolitik. »Wir lehnen schon das Wort ab. Es müsste Sportgerätesteuer heißen«, sagt etwa Jürgen Kohlheim, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Schützenbunds. Die Gefährlichkeit der Waffen müsse relativiert werden: »Kein Mensch zieht mit einer Sportpistole in den Krieg.« Zwar könnten sie »selbstverständlich zum Tode führen«, doch um dies zu verhüten, würden die »Sportschützen ja alle überprüft.« Als die Bremer CDU die örtlichen Schützen zu einer Versammlung einlud, um den außerparlamentarischen Widerstand gegen die Steuerpläne mit dem in der Bürgerschaft abzustimmen, argumentierte ein Bremer Schütze ähnlich wie Kohlheim. Der Versuch, per Reduktion legaler Waffen Schulmassaker zu verhindern, sei unsinnig, wie der Fall Winnenden belege: Dort habe der mordende Schüler ja schließlich auch die Waffe von seinem Vater geklaut, »also war sie nicht mehr legal«.