Entlassung aus der Abschiebehaft in Berlin

Nach dem Härtefall

Der nach 33 Jahren Aufenthalt in Deutschland von der Abschiebung bedrohte Algerier Mourad Djeziri wurde überraschend aus dem Berliner Abschiebegefängnis Grünau entlassen. Zuvor hatte die Härtefallkommission Schleswig-Holstein den Antrag seines Haftseelsorgers abgelehnt, obwohl vier Kinder des Algeriers in Deutschland leben.

Seit dem 4. Januar war Mourad Djeziri im Berliner Abschiebegefängnis Grünau inhaftiert. Er war aus seinem Wohnort Brunsbüttel in Schleswig-Holstein zu seinem Sohn nach Berlin geflüchtet, nachdem die Ausländerbehörde Heide im April 2011 seine Abschiebung angeordnet hatte. Die Entlassung Djeziris schien ausgeschlossen, nachdem die Härtefallkommission von Schleswig-Holstein am 16. Februar den Antrag des Berliner Gefängnisseelsorgers Bernhard Fricke abgelehnt hatte, sich gegen eine Abschiebung Djeziris auszusprechen. Der 58jährige Familienvater hatte immer wieder vorgebracht, er wolle bei seinen vier Kindern bleiben. »Ich bin fassungslos«, sagte Djeziri, nachdem die Kommission die Entscheidung getroffen hatte.

Die Gründe für das negative Votum wollte Norbert Scharbach, der Vorsitzende der zuständigen Härtefallkommission, aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nennen. »Die Daten eines Menschen sind hierzulande offensichtlich schützenswerter als der Betroffene selbst«, kritisierte Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. In seiner Pressemitteilung ging Link auch auf mögliche Gründe für die Entscheidung der Härtefallkommission ein, wie etwa fehlende Rentenansprüche Djeziris, der sein Leben lang in prekären Jobs gearbeitet hat.
Die Entscheidung über eine Petition, die Freunde von Djeziri beim Landtag Schleswig-Holstein eingereicht hatten, stand noch aus, als die Ausländerbehörde Heide den Haftantrag gegen Djeziri plötzlich zurückzog. Die Gründe für die Haftentlassung am 22. Februar sind nicht bekannt. Dem Vernehmen nach hat die algerische Botschaft den Passierschein für die Abschiebung verweigert. Djeziri hatte zwei Tage zuvor lange mit dem Konsul des algerischen Generalkonsulats in Bonn telefoniert. Ob ihm nach der Entlassung nun auch der Aufenthalt gewährt wird, ist noch unklar.

Djeziri lebte zuletzt mit seinen beiden jüngsten Söhnen, dem 21jährigen Sofian und dem 22jährigen Nassim, in Brunsbüttel. »Seit meine Kinder volljährig sind, hat man mir Probleme mit der Aufenthaltserlaubnis gemacht«, sagte er. Die Ausländerbehörde Heide stellte Djeziri ab 2010 nur noch vorläufige Aufenthaltspapiere, sogenannte Fiktionsbescheinigungen, für sechs Monate aus. Einen Arbeitsvertrag bei dem Gebäudereinigungsunternehmen »Klarsicht« konnte er 2011 trotz Arbeitserlaubnis nicht wahrnehmen, weil ihm die notwendige Aufenthaltserlaubnis fehlte. In der Begründung für die Abschiebung schrieb die zuständige Ausländerbehörde, Djeziri habe derzeit keinen festen Arbeitsplatz und seine Kinder seien volljährig.
»Sie sagen, meine Kinder brauchen mich nicht mehr, aber sie brauchen mich«, sagte Djeziri in der Abschiebehaft. »Mein jüngster Sohn Sofian ist erst 21 Jahre alt. Meine Kinder sind alles für mich.« Djeziri lebt seit 26 Jahren ununterbrochen in Deutschland, 1979 war er als Vertragsarbeiter in die damalige DDR gegangen, für einige Jahre kehrte er dann nach Algerien zurück. Nach seinem 30jährigen Sohn Mike und der 23jährigen Tochter Rebecca hat Djeziri jahrelang gesucht. Zu Mike, der noch zu DDR-Zeiten geboren wurde, wurde ihm die Einreise in den Ostteil Berlins bis zur Wende verweigert. Von seiner Tochter Rebecca erfuhr er erst vom Jugendamt. Zu beiden baute Djezeri eine enge Beziehung auf.
Die beiden jüngeren Söhne, die Djeziri groß­gezogen hat, haben zu seiner polnischen alkohol­kranken Ehefrau kaum Kontakt. Im Gespräch mit der Jungle World sagt Sofian, der ebenfalls keine Aufenthaltspapiere besitzt, obwohl er sein ganzes Leben in Deutschland verbracht hat, der Vater sei seine einzige Bezugsperson.