Die Abstimmung des Bundestags zur Griechenland-Hilfe

Wahnsinn mit Methode

Die Bundesregierung verfehlte bei der Abstimmung über die »Griechenland-Hilfen« die Kanzlermehrheit. Erschreckend ist der Zynismus der Abweichler.

Der Mann leide an politischer Schizophrenie. Das war die Diagnose, die zahlreichen Kommentatoren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) stellten, nachdem er am Wochenende in einem Gespräch mit dem Spiegel gesagt hatte, Griechenland solle besser den Euro-Raum verlassen. Friedrichs Forderung, »Anreize für einen Austritt zu schaffen«, war exakt das Gegenteil dessen, was der Bundestag am Montag auf Antrag der schwarz-gelben Regierung beschließen sollte, nämlich dem deutschen Anteil an »Griechenland-Hilfen« zuzustimmen, um das Land in der Euro-Zone zu halten. Bei der Abstimmung im Parlament stimmte Friedrich dem »Hilfspaket« für Griechenland zu.
Friedrichs Verhalten verwundert weniger als das Ausmaß an Irritation, das es bei der Welt oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hervorrief, schließlich hat der Wahnsinn Methode. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte mit, dass Friedrich sich gegenüber dem Spiegel nicht in seiner Eigenschaft als Bundesinnenminister oder als Mitglied der Bundesregierung geäußert habe, sondern als CSU-Politiker. Und in Bayern stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Das erinnert an Philipp Rösler, der als FDP-Vorsitzender kurz vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 eine »geordnete Insolvenz Griechenlands« in Spiel gebracht hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde von den Medien wegen dieser beiden Querulanten heftig bemitleidet. Zu Unrecht, schließlich entspricht Friedrichs und Röslers Verhalten, gerade im Hinblick auf Griechenlands Krise, einer schwarz-gelben Tradition. Es war Merkel, die 2010 mit Hilfszahlungen für die »Pleite-Griechen« bis nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen warten wollte. Durch das lange Zögern der »eisernen Kanzlerin« und ihrer Regierung geriet Griechenland erst richtig in die Krise. Das Spardiktat, das Griechenland in den vergangenen zwei Jahren vor allem auf Druck der Bundesregierung von der EU aufgezwungen wurde, hat die Wirtschaft und das Sozialsystem des Landes an den Rand des Kollapses gebracht.
Merkels Politik scheint einigen Abgeordneten der Regierungsparteien allerdings noch nicht eisern genug zu sein. Am Montag verfehlte die Regierung zum ersten Mal bei einer Euro-Abstimmung die Kanzlermehrheit. Dank der Stimmen von SPD und Grünen erhielt das »Hilfspaket« trotzdem eine große Mehrheit. Zum Glück, muss man sagen. Denn die Abweichler aus den Reihen der Koalition finden entweder, dass Griechenland noch mehr »Anreize« zum Sparen brauche, und offenbaren mit dieser am Hartz-IV-Vokabular geschulten Drohung reinen Zynismus. Oder sie fordern gleich den Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone.
Es ist bezeichnend, dass die Befürworter des Rauswurfs zwar oft über den Tag X reden, aber nie über das, was danach kommt. Angesichts der derzeitigen Situation in Griechenland müsste man in diesem Fall nämlich mit einer humanitären Katastrophe rechnen.