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Bei den Parlamentswahlen konnten sich die Iraner nur zwischen Anhängern des ­religiösen Führers Ali Khamenei und des Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad entscheiden. Hoffnung auf Reformen im Rahmen des Systems gibt es längst nicht mehr, doch auf den Straßen blieb es ruhig.

Bevor im Iran die Bevölkerung wählen darf, werden erst einmal die Kandidaten ausgewählt. Sie müssen sich zum herrschenden System bekennen, doch kommen inoffizielle Ausschlusskriterien hinzu. So hat das iranische Innenministerium nur 3 444 von 5 392 registrierten Bewerbern zugelassen. Am 2. März waren nun etwa 48 Millionen Iranerinnen und Iraner aufgerufen, die 290 Abgeordneten des islamistischen Parlaments, des Majless, zu wählen.
Während die Reformislamisten zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik die Wahlen mehrheitlich boykottieren, haben die konservativ-fundamentalistischen Rivalen des Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad die Wahlen gewonnen. Die Wahlbeteiligung betrug nach offiziellen Angaben immerhin 64,5 Prozent. Das Regime wertet dies als Erfolg, Ahmadinejad lobte die hohe Wahlbeteiligung, sie habe die Gegner der »islamischen Revolution zur Verzweiflung gebracht«. Wegen des starken Drucks des Repressionsapparats gab es kaum Proteste gegen die Wahl. In der Provinz Fars soll es zu vereinzelten Aktionen gekommen sein. Dort habe die Polizei auf Protestierende geschossen, berichtet Iranpressnews.
Die Wahlen waren alles andere als frei, dennoch gibt es Gewinner und Verlierer. Ali Larijani, der bisherige Sprecher des Majless, wurde mit 270 382 Stimmen erneut ins Parlament gewählt. Parvin Ahmadinejad, die Schwester des Präsidenten, sowie Ahmad Nateq Nuri, ein bisher einflussreicher rechtsislamistischer Politiker, erlangten keinen Sitz im neunten Majless, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna.
Dafür hat es Qolamreza Hadad-Adel geschafft, ein Gegner Ahmadinejads aus den Reihen der Prinzipalisten, einer Gruppe konservativer Hardliner. Hadad-Adel, der Vorsitzender des siebten Majless war, soll die meisten Stimmen in Teheran bekommen haben. Auch Ali Motahari, der seit Jahren zu den schärfsten Kritikern Ahmadinejads gehört, wurde gewählt. Dabei war er zunächst vom Wächterrat disqualifiziert worden, weil bei ihm »ein Mangel an tatkräftigem Gehorsam gegenüber dem Islam und dem Führer« ausgemacht worden war.
Die Iraner hatten die Wahl zwischen den Anhängern des religiösen Führers Ali Khamenei und den Verbündeten Ahmadinejads. Der Sieger ist Khamenei, dessen Kandidaten etwa drei Viertel der Abgeordnetenmandate gewannen. Beide Fraktionen hatten zuvor gemeinsam dafür gesorgt, dass die Reformislamisten aus dem Machtzentrum entfernt wurden. Die ideologischen Differenzen sind marginal, beide Gruppierungen zählen zu den sogenannten Konservativen, und Ahmadinejad hat immer wieder seine Treue zu Khamenei bekundet, der sich öffentlich nie gegen ihn wendete.
Doch in den vergangenen vier Jahren kam es immer wieder zu offenen Konflikten zwischen dem Majless und der Regierung. Dabei wurden die politischen Kontroversen zwischen Ali Larijani, dem Sprecher des Majless, und Ahmadinejad deutlich. Sie treten mit unterschiedlichen Koalitionen gegeneinander an. Ahmadinejad will den iranischen Nationalismus mit der religiösen Herrschaftsideologie der Islamisten versöhnen, was ihm nicht gelingt. Er hat sich mit rechtsextremen Holocaust-Leugnern und Antisemiten verbündet und versucht, einen islamistischen Arierkult aufzubauen.

Dem Präsidenten wird auch Misswirtschaft vorgeworfen, seine engsten Mitarbeiter und Anhänger verstrickten sich in ausgedehnte Korruptionsskandale. Ahmadinejad genießt jedoch wegen seiner antisemitischen und antiwestlichen Hasstiraden große Sympathien ausgerechnet bei Bauern und Arbeitern sowie in den vom Wohlstand ausgeschlossenen Schichten der iranischen Gesellschaft.
Die Anhänger Ahmadinejads stellten vier Listen auf, die »Front der Einheit und der Gerechtigkeit«, die »Front der Unterstützer der islamischen Regierung«, »Die jungen Berater des Präsidenten« und die »Front für Gerechtigkeit und Wohlstand«. Die andere Fraktion, die Unterstützer des »Revolutionsführers« Ali Khamenei, zu deren Führern Ali Larijani zählt, bildeten eine »Einheitsfront«, bestehend aus der »Front der Einheit der Prinzipalisten« und der »Front des Widerstands«, in der sich ehemalige Verbündete des Präsidenten sammeln, die sich wegen der ultranationalistischen Positionen von Ahmadinejad abwandten. Sie wird geführt von Ayatollah Mohammed Taghi Mesbah Yazdi, der sich bis vor kurzem als Mentor Ahmadinejads verstand.
Die Reformislamisten, die von 1997 bis 2005 mit Mohammed Khatami den Präsidenten stellten, sind von der offiziellen Politik weitgehend ausgeschlossen worden. Dennoch gab Khatami seine Stimme ab, während die meisten Anhänger von Mir Hussein Mousawi und Mehdi Karroubi, die sich im Hausarrest befinden, die Wahlen boykottierten.
Khatami hat den Ausschluss seiner Anhänger kritisiert, aber auch seine Loyalität bekundet: »Die Reformer können und dürfen keine Kandidaten auf den Wahllisten aufstellen. Dies bedeutet aber nicht, dass man die Wahlen boykottieren sollte. Diejenigen, die die Revolution prinzipiell lieben, dürfen niemals die Wahlen boykottieren.« Der ehemalige Präsident forderte auch die Entlassung der reformislamistischen Gefangenen aus der Haft.
Dass Khatami dennoch an den Wahlen teilgenommen hat, erfreute die den Revolutionswächtern nahestehende Nachrichtenagentur Farsnews, dies habe »die Aufständischen aufgewühlt«. Damit hat der ehemalige Präsident sich faktisch von den Anhängern Mousawis und Karroubis distanziert. Farsnews forderte, Khatami müsse nun klar zwischen den Reformern und der »Grünen Bewegung«, die Mousawi und Karroubi unterstützt, unterscheiden und sich deutlich von letzterer distanzieren.
Einige wenige Reformislamisten durften kandidieren. Zu ihnen gehört Mostafa Kawakabian, der vor den Wahlen geäußert hatte, dass es für die Reformer nur den Weg der Teilnahme gebe. Doch einer Meldung von BBC-Farsi zufolge wurde er nicht in den Majless gewählt.

Der Kreis der Machthaber in der islamistischen Diktatur wird immer kleiner. Nach der Revolution von 1979 beseitigten die Islamisten zunächst die Linken, die Liberalen und die säkularen Nationalisten. Dann wurden die Organisationen der Nationalreligiösen zerschlagen. Machtkämpfe gab es jedoch auch zwischen den islamistischen Fraktionen, sie wurden oft im Parlament ausgetragen. Schon im zweiten Majless, der 1984 zusammentrat, gab es einen Konflikt zwischen den Reformislamisten, die als »Linie des Imam Khomeini« auftraten, und der iranischen Hizbollah, die sich rechtsislamistisch nannte. Im dritten Majless ab 1988 stellten die Linksislamisten die meisten Abgeordneten, in den folgenden Legislaturperioden gab es wechselnde Mehrheiten, doch seit 2004 werden die Reformislamisten langsam aber sicher verdrängt, überdies hat sich ihre Fraktion gespalten.
Gab es früher Hoffnung auf wenigstens minimale Reformen, so ist mittlerweile klar geworden, dass die Wahlen nicht einmal mehr eine Alternative im Rahmen des islamistischen Systems bieten. Die Anhänger von Mir Hussein Mousawi und Mehdi Karroubi, die beide mit ihren Ehefrauen zum Wahlboykott aufgerufen hatten, blieben daher zu Hause. Die Machthaber befürchteten jedoch, dass es zu erneuten Protesten kommen könnte. Khamenei hatte bereits im August vorigen Jahres gefordert, die Wähler sollten »nicht zulassen, dass die Wahlen unsere Sicherheit gefährden«. Die Stimmabgabe wurde zur religiösen Pflicht erhoben: »Wählen ist wie das Sprechen eines Gebets. Wer früher wählen geht, handelt tugendhafter.«
»Es gibt zahlreiche Strömungen und Koalitionen, die sich gebildet haben, um an den Wahlen teilzunehmen«, sagte der Geheimdienstminister Heydar Moslehi im November vergangenen Jahres. Diese ständen dem System feindlich gegenüber, Moslehi sprach von »amerikanischen Reformern und Abweichlern, die nicht mit der Führung und dem System konform gehen«. Diese Bewegungen seien sehr unterschiedlicher Natur, würden aber gemeinsam gegen die Führung kämpfen. Er sah die »sensibelsten Wahlen« seit der islamischen Revolution auf sich zukommen.
Khamenei und die Revolutionswächter haben in den vergangenen Monaten immer wieder gemahnt, dass sich Szenen wie nach der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni 2009 nicht mehr ereignen dürften. Damals gingen Millionen Menschen auf die Straßen und demonstrierten gegen Khamenei und Ahmadinejad, die Stimmung in Teheran ließ eine Revolution möglich erscheinen. Die Machthaber nannten die Demonstrationen Fetne, Aufruhr, ein religiös konnotierter Begriff, der impliziert, dass die Protestierenden die »Gemeinschaft der Gläubigen« spalten wollen.

Dies alarmierte das Regime, das nun fast so wie in der Phase nach 1979 hart gegen jegliche Abweichungen vorgeht. Überdies hat sich die ohnehin miserable wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert, da es erstmals wirksame Sanktionen des UN-Sicherheitsrats, der USA und der EU gibt. Nun geht es darum, Angst und Schrecken in der Be­völkerung zu verbreiten. Die Boroumand-Stiftung, die Exekutionen im Iran dokumentiert, zählte 2010, im Jahr nach dem Massenaufstand, 814 Hinrichtungen und 648 im vorigen Jahr. Die große Zahl öffentlicher Hinrichtungen soll die Bevölkerung einschüchtern. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es gibt begeisterte Zuschauer, die diesem islamistischen public viewing gerne beiwohnen. Andererseits zeigt dies der Bevölkerung auch, wie wenig ein Menschenleben im iranischen Gottesstaat wert ist.
Einschüchterung und Repression verhinderten öffentliche Proteste, und mit Khatami hat sich der wichtigste Repräsentant der Reformislamisten von der »Grünen Bewegung« distanziert. Es hätte schlechter laufen können für die Machthaber. Intern zerstritten, außenpolitisch unter Druck und unfähig, die drängenden ökonomischen Probleme zu lösen, dürften sie sich jedoch nicht lange über die erfolgreiche Abhaltung der Scheinwahlen freuen können.