Die Privatisierung der Wasserversorgung weltweit

Durst nach Profit

Nicht nur in Berlin (siehe Seite 9) wird die Privatisierung der Wasserversorgung vorangetrieben, sondern weltweit. Unterstützt wird diese Entwicklung von der Lobbyorganisation des Weltwasserrats.

Dreht die Hähne auf! Am 22. März ist Weltwassertag! Doch dabei geht es wie so oft leider nicht um das Feiern des Überflusses, sondern die Behebung des Mangels. 2010 erkannte die Uno-Generalversammlung die Wasser- und Sanitärversorgung als Menschenrecht an. Milliarden Menschen haben jedoch keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Daran änderte auch das Weltwasserforum (WWF) nichts, das vom 12. bis 17. März kurz vor dem Weltwassertag in Marseille stattfand. Sogar der Papst verkündete am Sonntag, es sei an der Zeit, »einen verantwortlichen und solidarischen Umgang mit den Gütern der Erde« zu pflegen und allen Menschen »einen gerechten, sicheren und angemessenen Zugang zu Wasser zu garantieren«.
Das hätte trotz seiner leisen Kritik auch den Erklärungen und Beschlüssen der über 20 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und Regierungsmitglieder aus 140 Ländern auf dem Forum entnommen sein können. Auch hier war die Forderung nach einer Garantie des Menschenrechts auf Wasser genauso allgegenwärtig wie der proklamierte Wille zum Erhalt natürlicher Feuchtgebiete und Flüsse und die Anerkennung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Bedeutung des Wassers. Nicht zurückstehen wollte auch die deutsche Delegation. Bereits vor der Konferenz hatte die deutsche Delegationsleiterin und par­lamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp (FDP) gefordert, »die heutige Zugangskrise (zu) überwinden«, und die Erwartung formuliert, dass auf dem Treffen »entscheidende Weichen« gestellt werden müssten.

Seit 1997 finden die Weltwasserforen im Dreijahresturnus statt. Neben einigen Lokalregierungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, der Weltbank und anderen UN-Institutionen sind es vor allem multinationale Konzerne wie der französische Energieversorger EDF oder Mitsubishi, aber auch die direkt am Geschäft mit dem Wasser beteiligten weltgrößten Konzerne Suez und Veolia, die den dahinter stehenden Weltwasserrat dominieren. So ist das WWF trotz aller humanitär klingenden Appelle im Grunde eine Lobbyveranstaltung für die weitere Privatisierung der Wasserversorgung. »Der selbst ernannte Weltwasserrat und sein Forum sind weder politisch, sie repräsentieren nicht die Weltbevölkerung, noch sind sie technisch legitimiert«, folgert Thomas Fritz, der Verfasser der Studie »Schleichende Privatisierung«. Diese Privatisierung geht vor allem mit den vom Weltwasserrat formulierten Forderungen nach einer »Dezentralisierung der Versorgung« und einem besseren »Management« einher. Auf den ersten Blick scheinen derartige Forderungen den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenzukommen. In seiner Studie hat Fritz jedoch darauf hingewiesen, dass durch Dezentralisierung nicht nur die Staaten aus der Versorgung gedrängt werden, sondern durch kurzfristige regionale Dienstleistungsverträge der Einstieg in public-private partnerships gelinge.

Seit den Strukturanpassungsprogrammen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in den achtziger Jahren ist weltweit deutlich eine Tendenz zur Privatisierung der Wasserversorgung zu beobachten. Die daraufhin ins Leben gerufenen Weltwasserforen dienen zur Koordinierung dieser Entwicklung. Auf dem 3. Weltwasserforum 2003 stellte die internationale Wasserlobby unter der Leitung des früheren IWF-Vorsitzenden Michel Camdessus einen Bericht vor, der empfahl, dass öffentliche Gelder der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt für die Unterstützung privater Investoren im Wassersektor aufgebracht werden sollten. Die Rahmenbedingungen waren damals besonders günstig. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO war 1995 das Dienstleistungsabkommens GATS (General Agreement on Trade in Services) in Kraft getreten. Ziel war die vollständige Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte, insbesondere auch der Energie- und Wasserversorgung. Vor allem die Kopplung der Kreditvergabe an Entwicklungsländer an Auflagen für Privatisierungsmaßnahmen ist profitabel für die Konzerne. Führend in dieser Entwicklung war vor allem die EU, in der die drei größten Konzerne Suez, Veolia und RWE ihren Sitz haben. In geheimen Verhandlungspapieren, die im Frühjahr 2003 an die Öffentlichkeit gelangten, forderte die EU von 72 Ländern eine Marktöffnung im Wassersektor. Dies würde »neue Wirtschaftsmöglichkeiten für europäische Konzerne bieten, wie die Expansion und Übernahmen im Ausland durch eine Reihe europäischer Wasserkonzerne zeigen«, heißt es in den Papieren. Ziel sei es, »Hemmnisse, denen europäische Anbieter in den Märkten von Drittländern begegnen«, abzubauen. Die Teilnahme der europäischen Regierungen am WWF, die von einigen immer wieder als Korrektur gegenüber der geballten Konzernmacht auf dem Forum dargestellt wird, ist daher nur folgerichtig.

Dass Trinkwasser immer knapper wird, macht die Investitionen in dem Bereich noch attraktiver. Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune hatte bereits im Jahr 2000 darauf hingewiesen: »Wasser verspricht im 21. Jahrhundert das zu werden, was Öl im 20. Jahrhundert war: ein wertvolles Gut, das den Wohlstand der Nationen bestimmen wird.« Noch immer haben 900 Millionen Menschen keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zu diesem Ergebnis kommt der direkt vor dem WWF veröffentlichte »Weltwasserentwicklungsbericht der Vereinten Nationen«. Die Ursachen seien der steigende Wasserbedarf, hervorgerufen durch den steigenden Lebensmittelbedarf, die rasante Verstädterung sowie der Klimawandel. Durch den Mangel wird der Zugang zu Wasser insbesondere für die weniger zahlungskräftigen Teile der Weltbevölkerung immer prekärer. Diese wehren sich jedoch seit einigen Jahren immer heftiger gegen die Privatisierung. Vom »Wasserkrieg« im bolivianischen Cochabamba über Proteste in südafrikanischen Townships bis hin zum Berliner Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge im vergangenen Jahr wächst der Widerstand weltweit.