Über Fake-Trailer

Schinkenbomben auf Bin Laden

Gefakte Trailer gibt es im Internet wie Sand am Meer. Sie sind nicht nur ein Vergnügen für Nerds, sondern dienen auch als Referenz für Jungfilmer.

Aprilscherze sind ja eigentlich die Hölle und hundert Meter gegen den Wind zu erkennen. Vor ein paar Jahren aber gelang dem Game-Portal IGN mit einem fiesen, glaubwürdigen und deshalb guten Aprilscherz die Ausnahme von der Regel: Es stellte am 1. April 2008 einen enorm aufwendig gestalteten Trailer ins Netz, der die von vielen Fans heiß ersehnte Verfilmung des Adventure-Games »The Legend of Zelda« ankündigte. Monster, Feuer, Elfenohren, Tempel, ein Held mit Schwert, pathetische Musik – an alles hatten die Macher gedacht und für Begeisterung gesorgt. Aber das Werk war nicht echt, sondern ein Fake. Nicht der erste und nicht der letzte Fake-Trailer, denn im Internet wimmelt es von gefälschten Clips. Bei vielen denkt man nach dem Betrachten: »Hmm, in der Zeit hätte ich jetzt auch was anderes machen können, etwa aus dem Fenster gucken oder sinnieren«. Es gibt aber auch einige Perlen.
Nicht alle Clips wollen den Eindruck erwecken, als liefe der im Trailer präsentierte Film bald in den Lichtspielhäusern an, solche Stücke werden deshalb auch eher als Fan-Trailer bezeichnet. Manche Filmchen wurden schnell runtergedreht und vertrauen auf eine einzige gute Idee – etwa die Vorschauen auf die angeblichen Verfilmungen der Spieleklassiker »Minesweeper« und »Pac Man«. Andere kombinieren bestehendes Material und erzielen unterhaltsame Effekte. So wird in einem sehenswerten Beitrag aus Stanley Kubricks Horrorfilm »The Shining« durch clevere Montage, neue Musik und neues Voice-over eine Vorschau für eine klischeehafte romantische Komödie. Auch als Medium des Protests werden Fake-Trailer eingesetzt: Die kleinkarierten »Star Wars«-Fanboys empören sich in zahlreichen Filmchen über die Überarbeitungen der Science-Fiction-Reihe.
»Spannend sind die Fake-Trailer immer dann, wenn begabte Cutter oder VFX-Artists durch sie ihr Können präsentieren«, sagt Gerold Marks, Experte für Online-Marketing von Filmen und Blogger bei digitaleleinwand.de. »Sie beherrschen die Filmsprache und die jeweils etablierten Genre-Codes, ihnen stehen Unmengen von Quellenmaterial zur Verfügung, das sie geschickt verwerten – obwohl das urheberrechtlich oft problematisch ist.« Für einiges Aufsehen sorgte der US-Amerikaner Jaron Pitts, der 2009 für seinen Trailer zum Superhelden-Abenteuer »The Green Lantern« Material aus zwölf Filmen verwendet hatte.
Vielen Filmfans gefiel sein kleines Werk besser als die misslungene 200-Millionen-Dollar-Kinoproduktion, und nicht wenige taten ihre Meinung süffisant bei Youtube kund. Mehr als sechs Millionen Mal wurde der Beitrag dort abgerufen. Fake-Trailer als Spott-Videos, auch das geht also.
Dass das Genre durchaus Potential hat, bewies Robert Rodriguez’ Trash-Kracher »Machete« von 2010. »Machete« war ursprünglich ein Fake-Trailer, der in den USA im »Grindhouse«-Double-Feature von Rodriguez und Quentin Tarantino gezeigt wurde. Weil die Rächer-Story gut ankam und im Internet viele Klicks bekam, wurde ein ganzer Film daraus gemacht.
Für Gerold Marks passt das zu den Strategien der großen Studios: »Die US-Filmindustrie setzt seit vielen Jahren auf bekannte Stoffe – Bücher, Comics, Games, Kurzfilme werden zu Langfilmen ausgebaut, sogar Brettspiele verfilmt. Auch die anhaltende Sequelmania ist ein Resultat davon. Was einmal erfolgreich war, kann auch an der Kinokasse für Umsatz sorgen, und man erspart sich einen Teil der Produktkreation. Warum sollte also nicht auch eine Story-Idee, die überzeugend durch einen Fake-Trailer kommuniziert wurde, zu einem Spielfilm werden?«
Momentan werben zum Beispiel die Macher von »Bikini Blitzkrieg« um Finanziers. In ihrem Fake-Trailer geht es um Frauen in Bikinis, die mit schweren Waffen gegen Hightech-Nazimonster kämpfen. Das könnte auf 90 Minuten ein bisschen zäh werden.
Vielversprechender sieht der Gruselspaß »Zombin Laden – The Axis of Evil Dead« aus, dessen Regisseur Clément Deneux ebenfalls auf Geld für einen Langfilm hofft. Er erzählt davon, wie Bin Laden als Zombie zurückkehrt, aber von einer Gruppe von Freunden bekämpft wird, unter anderem mit Schinkensandwiches.
Auch die Macher des großartigen Fake-Trailers »Infernal Nuns« hoffen, dass sie daraus einen Langfilm produzieren können. Ihre Story ist eine Hommage an die Nunsploitation-Filme der siebziger Jahre: Mit ihrer heiligen Muttermilch rettet eine Nonne dem erkrankten Papst das Leben. Der wieder genesene Pontifex Maximus bedankt sich auf seine Weise und missbraucht die Nonne. Unterstützt von schlagkräftigen Mitstreiterinnen sinnt sie auf Rache. »Der ›Machete‹-Trailer hat uns zu unserem Projekt inspiriert«, sagt »Infernal Nuns«-Produzent Dominko Gudelj. »Wir hatten nur ein relativ geringes Budget, deshalb mussten wir alle Highlights und lustigen Ideen in zweieinhalb Minuten unterbringen.« »Infernal Nuns« war die Diplomarbeit des Regisseurs Roland Petrizza im Bereich Visual Effects an der Filmakademie Baden-Württemberg. 6 000 Euro standen dem Team zur Verfügung. Das reichte immerhin für sechs Drehtage im Studio und einen Drehtag in einem Kloster. Gudelj berichtet: »Die dramaturgische Herausforderung war: Wie bekommen wir es hin, einen Kurzfilm zu erzählen, aber trotzdem die Trailerform beizubehalten und die Geschichte so offen zu lassen, dass daraus noch ein ganzer Film entstehen kann?« Nicht weniger knifflig gestaltete sich die post production. »Wir haben 30 Shots digital bearbeitet, mehr als 40 Personen waren an der Arbeit beteiligt. Der ganze Prozess hat ein Jahr gedauert«, berichtet Filmstudent Gudelj.
Und dann ging es plötzlich schnell: Nachdem sie die wilden Nonnen gerade an der Akademie präsentiert hatten, wollten sich schon zwei Produktionsfirmen die Rechte an der Verfilmung sichern und auf die Suche nach Geldgebern gehen. »Die Anfragen haben uns aber nicht überzeugt«, sagt Godelj. »Der Film wird jetzt erstmal auf Festivals zu sehen sein, danach fällt die Entscheidung, wie es weitergeht.« Vielleicht melden sich ja noch überzeugendere Interessenten. Ausgeschlossen ist das nicht, denn Fake-Trailer scheinen sich tatsächlich zu Bewerbungsvideos zu entwickeln. Aber Vorsicht! Wenn eines Tages irgendwo im Internet ein Kinospektakel mit blutrünstigen Nonnen angekündigt wird, könnte es sich um einen Aprilscherz handeln.