Die Rolle der Uno beim Tribunal gegen die Roten Khmer

Staatsmänner zu Delinquenten

Vor einem Tribunal in Kambodscha wird den noch lebenden Anführern der Roten Khmer der Prozess gemacht. Die verheerende Rolle der Uno, der USA und Chinas in der Geschichte des Landes steht nicht zur Debatte.

Nuon Chea ist 85 Jahre alt, Ieng Sary 86, Kieu Samphan 80. Den Rest ihres Lebens dürften die drei Männer als Angeklagte in einem Prozess vor den Außerordentlichen Kammern an den Gerichten Kambodschas (ECCC) verbringen, der auch als das Rote-Khmer-Tribunal bezeichnet wird, – und im Gefängnis.
Sie waren Vertraute von Pol Pot, dem 1998 verstorbenen »Bruder Nummer Eins« und obersten Machthaber der kambodschanischen Kommunisten, der Roten Khmer. Nuon Chea war »Bruder Nummer Zwei« der Kommunistischen Partei Kampucheas (KPK) und stellvertretender Generalsekretär. Ieng Sary war »Bruder Nummer Drei«, stellvertretender Premierminister und Außenminister. Khieu Samphan war »Bruder Nummer Vier« und Präsident des »Demokratischen Kampuchea«, wie das Land unter der Herrschaft der KPK von April 1975 bis Januar 1979 hieß.
In dieser Zeit unterzogen die maoistisch inspirierten Roten Khmer etwa acht Millionen Kambodschaner einem »revolutionären Experiment«, wie es Ieng Sary in einem Interview mit dem Spiegel 1978 ausdrückte. Zwischen 1,7 und 2,2 Millionen Menschen wurden ermordet oder zu Tode gehungert, starben an Erschöpfung oder Krankheiten. Jeweils in zwei Fällen wegen Völkermords, zwölf Fällen wegen Verbrechen gegen die Menschheit, sechs Fällen wegen Kriegsverbrechen und wegen weiterer Verbrechen nach kambodschanischem Recht sind die drei Senioren angeklagt. Das Tribunal in Phnom Penh gehört formal zur nationalen Gerichtsbarkeit, wurde aber auf Betreiben der Uno eingerichtet, wird international finanziert und ist mit internationalen Juristen besetzt. Anfang Februar verurteilte es Kaing Guek Eav alias Duch zu lebenslanger Haft. Er hatte S-21 geleitet, das zentrale Foltergefängnis der Roten Khmer, und etwa 17 000 Menschen ermorden lassen (Jungle World 19/2010).

Es gab jedoch Zeiten, in denen die Uno die Roten Khmer nicht wie Delinquenten, sondern wie Staatsmänner behandelte. Auf einem Foto vom Oktober 1978 schüttelt Ieng Sary lächelnd die Hand Kurt Waldheims, des damaligen Uno-Generalsekretärs. Während seines Besuchs in New York lud er Waldheim ein, sich mit eigenen Augen von der tadellosen Menschenrechtslage in seinem Land zu überzeugen.
Daraus wurde nichts. Die vietnamesische Armee beendete mit ihrem Einmarsch im Januar 1979 die Herrschaft ihrer lästigen Nachbarn, die, getrieben von einem fanatischen antivietnamesischen Nationalismus, wiederholt vietnamesische Dörfer im Grenzgebiet überfallen und deren Bewohner massakriert hatten. Die Berichte kambodschanischer Flüchtlinge bestätigten sich nun: Die Roten Khmer hatten das Land in ein gigantisches Massengrab verwandelt. Dennoch durften sie ihren Sitz in der Uno als legitime Regierung Kambodschas behalten.
Das war den Interessen der USA und Chinas geschuldet. Diese waren sich in ihrer antivietnamesischen Südostasienpolitik einig. Gemeinsam gelang es ihnen, sich zugunsten der Roten Khmer in der Uno durchzusetzen und die von Vietnam in Phnom Penh eingesetzte Regierung zu isolieren. Das von Vietnam besetzte Kambodscha wurde mit einem Embargo abgestraft, nicht einmal die Weltgesundheitsorganisation half der ausgehungerten und traumatisierten Bevölkerung.
Zwar unterhielt die Uno Flüchtlingslager für Kambodschaner in Thailand. Doch die gelieferten Nahrungsmittel kamen auf Druck Chinas und der USA auch den Roten Khmer zugute, die einige Lager kontrollierten. An der thailändischen Grenze zu Kambodscha trafen Journalisten wie der Australier John Pilger in den Achtzigern nicht nur auf wohlgenährte, sondern auch auf bestens ausgerüstete Rote Khmer. Diese galten als antivietnamesische Widerstandskämpfer und erhielten, von der Uno geduldet, vor allem chinesische und amerikanische, aber auch britische, französische und westdeutsche Waffen, wie Pilger in seinem Dokumentarfilm »Cambodia – The Betrayal« 1990 aufzeigte.
Im selben Jahr strich die Uno die Bezeichnungen »Genozid« und »Massenmord« für die Taten der Roten Khmer aus ihrem offiziellen Sprachgebrauch, fortan war von »Menschenrechtsverletzungen« die Rede. 1989 waren die Vietnamesen aus Kambodscha abgezogen, die »internationale Staatengemeinschaft« plante eine »umfassende Aussöhnung« des Landes, an der auch die Roten Khmer teilhaben sollten. Die Rehabilitation der Massenmörder ging so weit, dass sie mit ihrer »Partei des Demokratischen Kampuchea« zu den Parlamentswahlen 1993 zugelassen wurden, die von der UN-Friedensmission in Kambodscha, UNTAC, organisiert worden waren. Letztlich boykottierten die Roten Khmer die Wahlen und zogen sich in ihre Stützpunkte im Dschungel zurück. In den folgenden Jahren verloren sie an Bedeutung, nach Fraktionskämpfen und dem Tod Pol Pots 1998 lösten sie sich auf. Ihr Chefdiplomat Thiounn Prasith hatte seinen Platz in der Uno bis zu den Wahlen 1993 inne. Die Rolle der Uno in Kambodscha wird vor den ECCC nicht verhandelt, ebenso wenig wie die der USA und Chinas.
Dabei unterstützten die USA die Roten Khmer nicht nur nach deren Fall 1979, sondern indirekt bereits vor ihrer Machtergreifung. Die amerikanischen Flächenbombardements auf das neutrale Kambodscha im Zuge des Vietnam-Kriegs kosteten bis zu 500 000 Kambodschaner das Leben, die Überlebenden traten aus verständlichem Hass auf die USA zu Tausenden der kommunistischen Guerilla um Pol Pot bei. Die US-Luftwaffe war somit eine der wichtigsten Rekrutierungshilfen für die Roten Khmer. Deren wichtigster Verbündeter nicht nur nach, sondern auch während der Terrorherrschaft war China. Für einen Fehler scheint die derzeitige chinesische Regierung dies nicht zu halten. Seit langer Zeit unterhalte China »freundschaftliche Beziehungen zu kambodschanischen Regierungen«, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums anlässlich der Eröffnung des Tribunals. Und nicht zuletzt habe die Regierung des »Demokratischen Kampuchea« doch einen rechtmäßigen UN-Sitz gehabt.