Die Wirkung des IStGH

Stumpfe Waffe

Der Internationale Strafgerichtshof hat bei der Verhinderung von Verbrechen und der Durchsetzung von Menschenrechten bisher wenig Wirkung gezeigt.

Kaum eine Institution des UN-Systems stößt auf so gegensätzliche Reaktionen wie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Als »Geschenk der Hoffnung« begrüßte ihn der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan anlässlich seiner Einrichtung vor knapp zehn Jahren. Endlich würden all die bislang ungesühnten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschheit geahndet werden können. Und das nicht von einzelnen Weltpolizisten, sondern von der Weltgemeinschaft unter Berufung auf die Menschenrechts­charta.
Für den republikanischen US-Senator Jesse Helms war der IStGH hingegen ein »Monster«. Er befürchtete wie die Mehrheit der amerikanischen und israelischen Politiker, der Strafgerichtshof könne zum antiimperialistischen Weltgericht werden – sprich zum verlängerten Arm der UN-Vollversammlung –, der bevorzugt US-Präsidenten oder israelische Ministerpräsidenten als Kriegsverbrecher dämonisiert.
Aus heutiger Sicht lässt sich sagen: Beide Seiten hatten Unrecht. Der IStGH hat bisher keinen Schaden angerichtet. Er hat sich relativ wenig politisch instrumentalisieren lassen. Sehr zum Leidwesen von antizionistischen Völkerrechtlern ist Israel vom IStGH nicht als »rassistischer Apartheidstaat« gebrandmarkt worden. Die bislang erhobenen Anklagen richten sich zumeist gegen mörderische Warlords und andere Gewaltunternehmer, die man selbst als Kritiker bürgerlicher Justiz gerne vor Gericht und im Gefängnis sehen möchte.
Aber das Gericht hat auch wenig genutzt. Er hat kaum dazu beigetragen, Verbrechen gegen die Menschheit zur Anklage zu bringen oder zu verhindern. Die Abschreckungswirkung des IStGH auf Menschenrechtsverletzer ist minimal. Weder Gaddafi noch Assad haben sich von der Aussicht, in Den Haag vor Gericht gestellt zu werden, beeindrucken lassen. Auch der sudanesische Staatspräsident Omar al-Bashir, gegen den sogar ein Haftbefehl erging, lässt weiter seine Schergen auf die Zivilbevölkerung in Darfur und andernorts los.
Der IStGH ist aus vielerlei Gründen eine stumpfe Waffe. Er kann nur gegen Täter vorgehen, deren Staaten das ihm zugrundeliegende Statut von Rom ratifiziert haben. Doch genau das haben viele Länder nicht getan. China fürchtete etwa, wegen Tibet angeprangert zu werden, Russland wegen Tschetschenien und Indien wegen Kaschmir. Die USA stehen den Einrichtungen des UN-Systems ohnehin skeptisch gegenüber.
Vor allem aber liegt der Arbeit des IStGH das Opportunitätsprinzip zugrunde. Anders als beim nationalstaatlichen Legalitätsprinzip müssen Verbrechen nicht zwingend zur Anklage gebracht werden, sie können es lediglich, wenn es »opportun« erscheint. Es ist daher kein Zufall, dass der Strafgerichtshof vor allem gegen tatsächliche oder vermeintliche Schurken aus möglichst peripheren Ländern vorgeht. Diese gescheiterten Staaten sind für die Interessen der großen Akteure in der Weltpolitik ohnehin unbedeutend.