Streit um die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe

Wasserbetriebe jammern und klagen

Die Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe muss wegen einer Beschwerde der Konzerne RWE und Veolia vor dem Bundesverfassungs­gericht verhandelt werden.

Als im Jahr 2000 die Wasserversorgung in Bolivien privatisiert wurde, gab es in der Stadt Cochabamba so lange Streiks, Demonstrationen und Straßenkämpfe, bis die Regierung die Privatisierung zurücknahm. Das zeigt der Film »Und dann der Regen«, der kürzlich in Berliner Kinos zu sehen war. In Berlin verläuft der »Kampf ums Wasser« anders: langatmig, zäh und neuerdings vor dem höchsten Gericht der Bundesrepublik. Vor einem Jahr stimmten 666 000 Berliner in einem Volksentscheid für die Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999. In dem daraufhin beschlossenen »Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe« wurde der Berliner Senat nicht nur zur Offenlegung der Verträge verpflichtet, was im vergangenen Jahr auch allmählich geschah. In Paragraph 4 wurde außerdem festgelegt, dass alle Vertragsteile, »Beschlüsse und Nebenabreden«, die nicht offengelegt wurden, innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Gesetzes unwirksam würden.
Diese Frist lief in der vergangenen Woche ab. Einen Tag vor Ende der Frist legten die privaten Gesellschafter der Wasserbetriebe, die deutsche RWE und der französische Wasserkonzern Veolia, eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Man habe »alles offengelegt, was nach unserem Verständnis durch das Offenlegungsgesetz erfasst wird«, sagte Michel Cunnac, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Veolia Wasser GmbH. Die Beschwerde richte sich gegen den Paragraphen 4. RWE und Veolia verlangen »Rechtssicherheit« über die »Reichweite« der Veröffentlichungspflicht. »Müssen jetzt auch Mails veröffentlicht werden?« fragte etwa der RWE-Sprecher Martin Rothenburg. Dabei heißt es in dem Offenlegungsgesetz, dass »personenspezifische Daten natürlicher Personen« ausgenommen sind und vom zuständigen Berliner Datenschutzbeauftragten geprüft werden müssen.
Die Vertreter des »Berliner Wassertisches«, der das Volksbegehren anstrengte, fühlen sich durch die Klage in der Annahme bestärkt, dass nicht alle Teile des Vertrags, insbesondere alle Nebenabreden, veröffentlicht wurden. »Wir sind überzeugt, dass noch vieles im Dunkeln liegt«, sagt die Sprecherin des »Wassertischs«, Ulrike von Wiesenau. »Es geht um nichts weniger als um die größte Teilprivatisierung innerhalb der EU und den Musterfall eines Public-Private-Partnership-Vertrags, der den Konzernen ohne unternehmerisches Risiko hohe Gewinngarantien und Entscheidungsbefugnisse zu Lasten der Allgemeinheit einräumt.« 1999 hatte der schwarz-rote Berliner Senat die Berliner Wasserbetriebe, das größte städtische Wasserversorgungsunternehmen Deutschlands, zu 49,9 Prozent an RWE und Veolia verkauft. Teil des Vertrags war, wie im Zuge der Offenlegung bekannt wurde, auch eine »Gewinngarantie« des Berliner Senats für die privaten Investoren. Und so stiegen seit 2004 die Wasserpreise in Berlin insgesamt um 35 Prozent. »Wir halten die Preise für angemessen, der Berliner Senat offensichtlich auch«, kommentierte Rothenberg den Preisanstieg im Gespräch mit der Jungle World.
Die Klage auf Bundesebene werde »zu einem Präzedenzfall für PPP-Verträge«, sagt Dorothea Härlin. Sie ist Mitglied des »Berliner Wassertisches« und der »AG Privatisierung« von Attac. »Eine bundesweite Debatte über Gemeingüter und Rekommunalisierung ist im Kommen.« Einen »Trend zur Rekommunalisierung« bestätigt auch Rothenburg. »Früher galt privat vor Staat«, ergänzt er ein wenig nostalgisch. Aber für größere »Investitionsvorhaben« werde man auch in Zukunft »große Geldgeber« wie RWE brauchen. Am vergangenen Wochenende tagten diese Geldgeber auf dem Weltwasserforum in Marseille (siehe Seite 15). Veranstaltet wurde es vom »Weltwasserrat«, der von den französischen Wasserkonzernen Veolia und Suez geleitet wird. »Lösungen für die Wasserversorgung der Zukunft« will das Forum erarbeiten. Lösungen, um die Profite zu steigern, sagt Härlin.