Das Klonen von Mammuts

Die Evolution hat keinen Rückwärtsgang

Der Versuch, ausgestorbene Tiere zu klonen, ist wissenschaftlich sinnlos und zum Scheitern verurteilt.

Kein Tyrannosaurus Rex, aber immerhin ein Mammut. Dass ein solches Tier geklont werden könne, versprechen zumindest einige Gentech­niker. Manch einer mag nun schon von einem Ice-Age-Park oder der Jagd auf ein Mammut träumen. Doch das ist ein fragwürdiger Traum.
Denn jeder Rückkehr haftet etwas Fades an. Das gilt für die Rückkehr zur Religion ebenso wie für das gerade bekannt gewordene Vorhaben japanischer und südkoreanischer Gentechniker, Mammuts durch Klonen wiederauferstehen zu lassen. Wobei das Fade nicht in dem Versuch liegt, ein Mammut in seiner damaligen Gestalt zu rekonstruieren. Das tun Naturkundemuseen und Paläontologen, seit sie durch fossile Funde von der Existenz der Mammuts wissen.
Die Ergebnisse der Rekonstruktionen der Paläontologie sind in den meisten Fällen informativ und spannend, auch wenn sie manchmal in ihrer Übersetzung in 3D-Bilder als phantastisch erscheinen. Das kann bei einer Wissenschaft, die versucht, aus wenigen, in manchen Fällen auch nur aus einem fossilen Restknochen einen ganzen Körper nachzubilden, auch gar nicht anders sein. Trotzdem steht bei den Paläontologen die reine Rekonstruktion im Vordergrund. Zum Leben erwecken wollen sie die ausgestorbenen Lebewesen nur in ihrer ebenso vergangenen Umwelt, das heißt nur in der heutigen Vorstellung. Mehr nicht. Als Biologen wissen sie, dass Lebewesen, die einmal gestorben sind, nicht wiederauferstehen können, wie auch der Gott, der wirklich tot ist, nicht mehr wiederkommt. Der Prozess der Evolution ist irreversibel.
Diese schlichte Wahrheit verurteilt jeden künstlichen Klonversuch zum Scheitern. Deshalb sind die Meldungen über das Klonen genauso fade, wie es die vielen Nachrichten vor ein paar Jahren waren, als nicht nur irgendwelche Sekten in Kanada mitteilten, sie stünden kurz davor, einen Menschen zu klonen. Wobei nicht der mit dem Begriff des Klonens bezeichnete biologische Prozess problematisch ist.
Wenn man unter Klonen nichts anderes versteht als die Fortpflanzung mit einer identischen DNS, handelt es sich um ein uraltes biologisches Verfahren. Viele Pflanzen vermehren sich über Sprosse aus der Mutterpflanze, ohne dass eine Befruchtung stattgefunden hat. Die Sprosse sind also genetisch identisch mit der »Mutter«. Ein Verfahren, das sich die Pflanzenzucht bereits früh zu eigen gemacht hat und das heute zum Beispiel dazu führt, dass fast alle Bananenpflanzen auf Plantagen Klone sind.

Selbst bei Menschen kann man eineiige Zwillinge gemäß dieser Definition als natürliche Klone verstehen. Inwieweit dann aber die identische DNS tatsächlich dazu führt, dass sich die eineiigen Zwillinge in ihrem weiteren Leben gleich oder auch nur ähnlich entwickeln, ist heftig umstritten. So umstritten, dass die Zwillingsforschung auf rein genetischer Grundlage mittlerweile einen ähnlich schlechten Ruf genießt wie die künstliche Klonforschung an ganzen Lebewesen wie einem Schaf oder Hund.
Umstritten sind rein auf die DNS konzentrierte Vererbungstheorien und Labortechniken, weil sich mittlerweile auch unter Genetikern herumgesprochen hat, dass es eben nicht nur die Moleküle der DNS in den Chromosomen sind, die den Vererbungsvorgang bedingen, sondern zum Beispiel auch Eiweiße der Eizelle, die den Kern mit der DNS umgeben. Man bezeichnet solche nicht an die DNS gebundenen Vorgänge als epigenetisch, die Epigenetik gehört zu den gerade boomenden Disziplinen der technologisch inspirierten Biologie. Und an den epigenetischen Einflussgrößen wird zwangsläufig auch die Wiedergeburt des Mammuts im Klonverfahren scheitern.
Die besten Argumente gegen den Versuch, ein Mammut zu klonen, kamen nicht von Klonkritikern, sondern aus der Klonforschung selbst. Ian Wilmut, der »Schöpfer« des Klonschafs Dolly, das mittlerweile an den vielen Malaisen, die jeden künstlichen Klonvorgang begleiten, gestorben ist, wurde jahrelang nicht müde, in Vorträgen auf die Unzulänglichkeiten des Klonens und dessen Folgen hinzuweisen. Wilmut hatte gute Gründe, so zu denken, hatte er als Praktiker doch das Elend des Klonens nicht nur an der Krankengeschichte von Dolly verfolgen können.
Die Diffusität und Unkalkulierbarkeit dieser Methode wurde bei jedem dafür notwendigen Schritt überdeutlich. Man benötigt zur Herstellung eines Klons eine unbefruchtete Eizelle, aus der man den Kern entfernt. Im Fall des Mammutversuchs tritt hier das erste unlösbare Problem auf. Eine unbefruchtete, funktionsfähige Eizelle wird man aus den im Eis etwa 10 000 Jahre lang eingefrorenen Mammuts nicht gewinnen können. Also wird man sie Elefanten entnehmen müssen, den nächsten lebenden Verwandten der Mammuts.
Im nächsten Schritt wird an die Stelle des alten Kerns der Kern des zu Klonenden eingeführt. Dieser Kern kann aus Embryonen, Föten oder Erwachsenen entnommen werden. Nun halten Eizellen beim Herein- und Herausnehmen eine Menge aus. Begrifflich beginnt aber hier schon das Problem. Ohne das den Kern umgebende Medium der Spenderzelle funktioniert nämlich gar nichts. Wenn nun diese Zelle das eingeführte Material des Kerns nicht nur in Betrieb setzt, sondern beeinflusst oder verändert, handelt es sich nicht um eine identische Kopie. Ist das der Fall, gibt es bis heute im strengen Sinn keinen einzigen Klon.

Hat man nun den Klonkern erfolgreich in der Spenderzelle versenkt, beginnt die erste Selektion. Nur die »guten«, jetzt befruchteten Eizellen können in eine Leihmutter verpflanzt werden. Von diesen Eizellen nisten sich dann wiederum nur wenige tatsächlich in der Gebärmutter ein. Die Transfertechnik ist genauso problematisch wie im vorangegangenen Prozess. Schafleihmütter können dicke Wasserbäuche bekommen und grässlich aufblähen. Bei Elefantenmüttern möchte man sich das gar nicht erst vorstellen. Missbildungen sind beim Klonen zehnmal so häufig wie bei normalen Züchtungen.
Fehl- und Totgeburten sowie abnorme Kälber, die man besser gleich einschläfert, machen das Klonen zu einem sehr ineffizienten Verfahren. Um ein Schaf wie Dolly zu bekommen, musste man etwa 1 000 Spendereizellen verbrauchen. Wenn dann endlich ein Schaf zur Welt kommt, das aussieht wie ein Schaf und so gesund ist, dass es alleine laufen und fressen kann, sind aber immer noch nicht alle Unwägbarkeiten beseitigt. Eine allgemein sehr hohe Krankheitsanfälligkeit und die Gefahr des vorzeitigen Alterns bleiben bei jedem sogenannten tierischen Klon bestehen.
Es gibt also viele sehr gute Gründe dafür, dass die Klonforschung an ganzen Tieren in Verruf geraten ist. Im Falle Wilmuts, der über Jahre als äußerst seriös galt, kam dann noch hinzu, dass er 2006 zugegeben haben soll, nicht er, sondern ein anderer Forscher sei der »Schöpfer« Dollys gewesen, wie die britische Tageszeitung Guardian berichtete. Man kann also annehmen, dass sich auch unter den japanischen und südkoreanischen Forschern jede Menge Schaumschläger befinden. Bei dem japanischen Mammut-Projekt offenbart es schon der Leiter, Akira Iritani, den der Spiegel zitiert: »Falls es gelingt, werden wir seine Lebensbedingungen und seine Gene studieren, um unter anderem verstehen zu können, warum es ausgestorben ist.«

Wie Iritani dann allerdings mit einem Tier, das kein Mammut, sondern irgendetwas anderes ist, und das unter Bedingungen lebt, die sich in den vergangenen 10 000 Jahren stark verändert haben, herausfinden will, warum damals die Mammuts ausgestorben sind, wird auf immer sein Geheimnis bleiben. Schlimm ist das in erster Linie für die vielen Elefantinnen, die als Leihmütter vorgesehen sind, und die eventuell dann auf die Welt kommenden kleinen Elefantenmammuts.
Geradezu beunruhigend ist allerdings, dass nach Angaben des Spiegel das japanische Team mit einem russischen Mammut-Experten und zwei US-Spezialisten für Elefanten zusammenarbeitet. Die Vorstellung, dass sich dann zwei Amerikaner und ein Russe vor einem wirklichen Tier darüber streiten, wie viel Elefant und wie viel Mammut in dem Kleinen steckt, hat überhaupt nichts Amüsantes angesichts der neuesten Meldungen über die Lage der Elefanten in Afrika. Dort floriert der jahrelang halbwegs eingedämmte Elfenbeinhandel wieder. Die Vergangenheit lässt sich weder ändern noch wiederbeleben, weit sinnvoller wären Bemühungen, um das Aussterben heute lebender Tierarten zu verhindern.