Die europäischen Gewerkschaften im Gespräch mit Merkel

Meckern bei Merkel

Der DGB lud südeuropäische Gewerkschafter zum Krisengespräch ins Kanzleramt. Bisher fiel er nicht durch große internationale Solidarität auf.

Es war eine merkwürdige Runde, die sich Ende vergangener Woche im Berliner Kanzleramt eingefunden hatte. Gewerkschaftsvertreter aus Südeuropa trafen sich dort mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, um über die »soziale Katastrophe« in ihren Ländern zu berichten. Initiiert hatte das Gespräch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer.
Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Zypern, Portugal, Spanien und Italien wächst die Verzweiflung. In Portugal rief die kommunistische Gewerkschaft vergangene Woche wieder zu einem Generalstreik auf, die mittlerweile achte landesweite Arbeitsniederlegung in den vergangenen drei Jahren. In Griechenland gab es im gleichen Zeitraum sogar 22 Generalstreiks. In dieser Woche kommt es in Spanien zu einem landesweiten Ausstand, in Italien ist zumindest ein achtstündiger Streik geplant. Über mangelnde Unterstützung für ihre Aktionen können sich die südeuropäischen Gewerkschaften nicht beklagen. Aber die Situation hat sich trotz aller Proteste sogar noch verschlimmert.
Wie desolat die Lage ist, zeigt ein Bericht der Tageszeitung O Público aus Lissabon. Demnach haben allein im vergangenen Jahr rund 150 000 Portugiesinnen und Portugiesen ihr Land verlassen. Seit 2008 sind eine halbe Million Menschen ausgewandert – das entspricht fast fünf Prozent der Bevölkerung. Zuletzt kam es in Portugal zum Ende der faschistischen Diktatur in den siebziger Jahren zu einer ähnlich großen Auswanderungswelle. In Spanien sieht es nicht viel besser aus. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei 50 Prozent, für dieses Jahr wird offiziell eine Arbeitslosenquote von 24 Prozent erwartet. In Griechenland sanken in den vergangen zwei Jahren die Löhne um 25 Prozent, im öffentlichen Dienst sogar um 40 Prozent.
Die technokratischen Regierungen dieser Länder bemühen sich redlich, die fiskalischen Vorgaben der EU und der deutschen Regierung umzusetzen. Doch mit jeder neuen Sparrunde erreichen sie offenbar nur das Gegenteil. Weil die Arbeits­losenrate steigt und die Steuereinnahmen sinken, wachsen die Staatsschulden einfach weiter.
Das weiß auch Michael Sommer, weshalb er die Politik der Kanzlerin kritisiert. »Der Fiskalpakt wird die Probleme nicht lösen, er wird sie verschärfen«, meinte er. Viel mehr als laue Worte hat aber der DGB seinen südeuropäischen Kollegen nicht zu bieten. In den vergangenen Jahren gab es keine ernstzunehmende Mobilisierung gegen den radikalen Sparkurs der Bundesregierung. Stattdessen musste sich Sommer ausgerechnet vom Handelsblatt fragen lassen, ob die deutschen Gewerkschaften »mit ihrer Lohnzurückhaltung die Probleme Europas mitverursacht haben«. Ob es an der Gewerkschaftsbasis Verständnis für die Lage in den EU-Pleitestaaten gibt, ist daher mehr als fraglich.
Immerhin könnten die eigenen Interessen zu Aktionen ermuntern. In den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst fordert Verdi derzeit 6,5 Prozent mehr Lohn – so viel wie schon lange nicht mehr. Vielleicht gelingt es einer deutschen Gewerkschaft endlich wieder einmal, eine sub­stantielle Lohnsteigerung durchzusetzen. Dies wäre eine größere Unterstützung für die europäische Arbeiterbewegung als jedes Treffen im Kanzleramt.