Zum antikapitalistischen Aktionstag »M31«

Pfiffe für den Zauderer

Am Wochenende ist es so weit: In Deutschland und anderen europäischen Ländern soll »M31« stattfinden. Deutsche Wissenschaftler, Gewerkschafter und außerpar­lamentarische Linke erhoffen sich einiges von dem Aktionstag.

»Wir sind diese unsoziale und antidemokratische Politik ebenso leid wie die rassistischen Attacken auf die griechische Bevölkerung. Reden wir stattdessen von den menschenverachtenden Folgen dieser Politik. Reden wir über die autoritäre Wende Europas und deutsche Niedriglöhne als Krisenursache.« Dieser Appell findet sich in dem Anfang März veröffentlichten Aufruf »Demokratie statt Fiskalpakt«, der von der »Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung« (AKG) verfasst wurde. Der Zusammenschluss von Sozi­alwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern hat es sich zum Ziel gesetzt, »gesellschaftskritische Theorieansätze« angesichts »ihrer zunehmenden Marginalisierung an den Hochschulen« zu sichern und weiterzuentwickeln.
In ihrem Aufruf kritisieren die Wissenschaftler die mit dem Krisenprogramm verbundene Renaissance autoritärer Herrschaftsmodelle. Sie zeigen eine Kontinuität auf, die von der blutigen Durchsetzung der neoliberalen Politik in Chile während der Militärdiktatur unter Pinochet über die mit der Verarmung großer Teile der Bevölkerung verbundenen Transformationsprozesse in vielen osteuropäischen Länder nach 1989 bis zur derzeitigen Durchsetzung des EU-Diktats in Italien, Griechenland und Portugal reicht. Die AKG ruft auch zur Beteiligung an den in den kommenden Wochen geplanten Protesten gegen die EU-Krisenpolitik auf. Dabei steht der europaweite antikapitalistische Aktionstag am 31. März nicht nur zeitlich an erster Stelle.

Angesichts der Kritik der AKG nicht nur an der Wirtschaft, sondern auch an der Rolle des Staates bei der Krisenbewältigung gibt es inhaltlich viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Aufruf der Wissenschaftler und »M31«. Dieses Kürzel für den Aktionstag ist mittlerweile auf Plakaten und Aufklebern in vielen europäischen Städten zu sehen. »Auf zahlreichen Informationsveranstaltungen in allen Teilen der Republik wurde ­darüber diskutiert«, sagt Jutta Sommer vom Berliner »M31«-Vorbereitungskreis der Jungle World. Deshalb sieht sie Grund zum Optimismus. »Noch Anfang des Jahres hätte ich nicht gedacht, dass diese Initiative auf so viel Resonanz stößt.« Auch in der Vorbereitung sieht sie eine neue Qualität. »Auf verschiedenen Veranstaltungen haben Aktivisten der außerparlamentarischen Linken mit Gewerkschaftern über gemeinsame Krisenstrategien diskutiert.« Dabei betonten in der vergangen Woche auf einer Veranstaltung sowohl Andreas Förster von der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter­union (FAU) wie auch der bei Verdi organisierte Personalrat bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben, Georg Heidel, die Notwendigkeit, Alltagskämpfe in den Betrieben mit einer antikapitalistischen Praxis zu verbinden.
Dass auch an der Basis des DGB die Unzufriedenheit wächst, zeigte sich auf einer Veranstaltung, die Mitte März von linken Gewerkschaftern und der Gruppe »Real Democracy Now! Berlin/Griechenland« im Berliner IG-Metallhaus veranstaltet wurde. Eingeladen waren ein Stahlarbeiter aus einer besetzten Fabrik in Athen und eine Journalistin von der Zeitung Eleftherotypia, die seit zwei Monaten von der Belegschaft in Selbstverwaltung herausgegeben wird. Dierk Hirschel, der Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik beim Verdi-Bundesvorstand, bekundete zwar seine Solidarität. Doch Proteste stellte er frühestens für den Herbst in Aussicht, weshalb er von Teilen des Publikums ausgepfiffen wurde. In einer auf der Veranstaltung angenommenen Resolution wird zu europaweitem Widerstand gegen die Krisenpolitik aufgerufen. Am heutigen Donnerstag soll der erste praktische Versuch erfolgen. Aus Solidarität mit einem von spanischen und baskischen Basisgewerkschaften ausgerufenen Generalstreik sind in vielen europäischen Ländern Solidaritätskundgebungen vor spanischen Konsulaten geplant.