Das »European Counter-Jihad Meeting«

Die Liga der antimuslimischen Gentlemen

Nur 150 Rechtsextreme folgten einem Aufruf der »European Defence League« zu einem »European Counter-Jihad Meeting« in Dänemark. Das Konzept der »Defence Leagues« ist außerhalb von Großbritan­nien erfolglos.

Es sollte ein Großereignis für die antimuslimischen Rechtsextremen in Europa werden. Doch das »European Counter-Jihad Meeting« im dänischen Århus verlief anders, als die Veranstalter erwartet hatten. Mit 300 bis 1 000 Teilnehmern hatten sie gerechnet. Damit wäre das Treffen die größte rechtsextreme Demonstration in Dänemark seit Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen. Es folgten am Wochenende jedoch nur etwa 150 Teilnehmer dem Aufruf der »European Defence League«. Ihnen gegenüber standen mehr als 4 000 Gegendemonstranten, darunter alleine 500 aus Kopenhagen und Malmö. Es war die größte antifaschistische Demonstration in der Stadt seit 20 Jahren. Flaschen und Steine flogen auf die Versammlung der Rechtsextremen im Mølleparken, Fensterscheiben an Reisebussen wurden zerstört, Barrikaden errichtet und etwa 80 Gegendemonstranten festgenommen.

Schon die Vorbereitung des Treffens lief nicht gut. Organisator war die Danish Defence League (DDL), die dänische Schwesterorganisation der English Defence League (EDL). Ähnlich wie das englische Original rekrutiert sich auch der dänische Ableger hauptsächlich aus dem rechtsextremen Hooliganmilieu. Doch während es der EDL gelungen ist, eine Handvoll halbwegs vorzeigbarer Kader hervorzubringen, die in der Lage sind, verhältnismäßig seriös in der Öffentlichkeit aufzutreten, erweckt die DDL keinen solchen Anschein der Seriosität. Das wurde offensichtlich, als Kasper Mortensen, der Sprecher der DDL und verantwortlich für die Organisation der Veranstaltung in Århus, etwa drei Wochen vor dem Treffen verhaftet wurde, nachdem er einen Türsteher mit einem Elektroschockgerät und einer großen Stabtaschenlampe attackiert hatte.
Umgehend versuchte die EDL, sich von dem Vorfall zu distanzieren, und erklärte Mortensen für abgesetzt. Für solch ein Verhalten sei in der Organisation genauso wenig Platz wie für Menschen mit Verbindungen zu Neonazis, sagte Steve Simmons von der EDL nach Mortensens Verhaftung dem Daily Telegraph. Doch zu dieser Aussage passt nicht so recht, dass Mortensens Nachfolger, Philip Traulsen, ein Veteran der dänischen Naziszene mit Kontakten zur dänischen Sektion von »Blood & Honour« und der »Danmarks Nationale Front« ist. Es dürfte grundsätzlich schwierig sein, in dem Milieu, aus dem die europäischen Defence Leagues ihre Mitglieder rekrutieren, Personen ohne zumindest lose Kontakte zur Naziszene zu finden. Das gilt für Dänemark genauso wie für England oder Deutschland.
Über die »German Defence League« (GDL), die, wie auch einige Vertreter der Partei »Die Freiheit« und des antimuslimischen Weblogs Politically Incorrect (PI), ebenfalls in Århus zugegen war, ist weniger bekannt als über die Defence Leagues anderer Länder. Zwar haben Abordnungen der Gruppe bereits 2010 in Amsterdam und 2011 im englischen Luton ähnliche Veranstaltungen besucht, es gibt jedoch kaum Informationen darüber, wie groß und organisiert die GDL ist. In Århus trat ein gewisser Roland Holzapfel aus Hannover als Sprecher der Gruppe in einem Interview für das dänische Fernsehen in Erscheinung und nannte dabei die Gegendemonstranten »die wahren Nazis«. Dass Holzapfel, der auch für PI an Ort und Stelle als Kameramann tätig war, aus Hannover kommt, scheint kein Zufall zu sein, denn in der niedersächsischen Landeshauptstadt betätigt sich die GDL offensichtlich bevorzugt. So berichtete die Hannoversche Allgemeine im vergangenen Monat über Verbindungen zwischen der GDL und der rechtspopulistischen Partei »Die Hannoveraner«, die im Stadtrat mit zwei Abgeordneten vertreten ist. Auch von personellen Überschneidungen war in dem Artikel die Rede.

Die GDL verfügt zwar im antimuslimischen und rechtpopulistischen Spektrum über gute Verbindungen. Dass es sich bei ihr jedoch um mehr als nur eine kleine Splittergruppe handelt, ist unwahrscheinlich. Das offizielle Banner der Gruppe zeigt lediglich die Wappen von sechs Städten. Neben den Wappen von Hannover, Frankfurt am Main, Stuttgart und Nürnberg finden sich dort noch jene von Lippstadt in Nordrheinwestfalen und Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Nach einer bundesweiten Organisation sieht das nicht gerade aus.
Überhaupt sind die Sektionen der European Defence League auf dem Festland erfolglose Kopien des englischen Originals. Bei einem Großteil der unzähligen Gruppen, die sich alleine auf Facebook tummeln, ist unklar, ob es sie wirklich gibt oder ob es sich um Internetfakes oder Hirngespinste Einzelner handelt. Doch auch die Sektionen, die tatsächlich öffentlich in Erscheinung treten und in Århus waren, wie jene aus Norwegen, Schweden und Finnland, erwecken nicht den Eindruck, als handele es sich um schlagkräftige Organisationen. Sie wirken vielmehr wie Anhängsel der EDL, die die European Defence League eher als ihre Dependance jenseits des Kanals zu betrachten scheint denn als eine Organisation gleichberechtigter Partner. Die Tatsache, dass nicht die Danish Defence League, sondern die Führung in England Mortensen ein- und schließlich wieder absetzte, wie der Daily Telegraph berichtete, bestätigt diese Vermutung.
Das Konzept der Defence Leagues ist außerhalb der britischen Inseln also bislang erfolglos. Wenn man bedenkt, dass in Dänemark bei den Wahlen im vergangenen Herbst 12,3 Prozent der Wähler ihre Stimme der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti gaben, die eine ähnliche Ideologie wie die EDL vertritt, dann ist die Teilnehmerzahl von ungefähr 150 Menschen sehr kümmerlich, zumal diese aus halb Europa herangekarrt werden mussten.

Der »Startschuss für eine europaweite Bewegung«, den sich der EDL-Gründer Stephen Lennon von dem Treffen in Dänemark erhoffte hatte, blieb jedenfalls aus. Solange jedoch von Oslo bis Athen in fast jedem Parlament eine Partei sitzt, die im Grunde die gleiche antimuslimische Ideologie vertritt wie die EDL, braucht es eine solche Bewegung wahrscheinlich auch gar nicht. »Bürgerbewegungen« gegen Neubauten von Moscheen sowie antimuslimische Debatten und Gewalttaten gibt es ja auch ohne sie mehr als genug.