Das Betreuungsgeld schadet der Berufstätigkeit von Frauen

Daheim ist’s doch nicht am schönsten

Eine neue Studie warnt vor den möglichen Auswirkungen des Betreuungsgeldes, das im Jahr 2013 eingeführt werden soll. Selbst in der CDU wird das Vorhaben vehement kritisiert.

Ab dem Jahr 2013 monatlich 100 Euro, ab 2014 dann 150 Euro – das feierte Horst Seehofer vor fast drei Jahren als »Beitrag zur Erziehungsgerechtigkeit und zur Wahlfreiheit in Deutschland«. Auf Druck der CSU hatten sich Union und FDP in ihrem Koalitionsvertrag 2009 auf die Einführung des Betreuungsgeldes geeinigt. Es soll Eltern gezahlt werden, die ihre ein- bis dreijährigen Kinder nicht in einer öffentlich geförderten Einrichtung betreuen lassen.
Politiker und Politikerinnen von SPD, Grünen und der »Linkspartei« kritisierten hingegen, dass das Geld als »Herdprämie« insbesondere Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte und den zu Hause betreuten Kindern aus einkommensschwachen oder schlecht gebildeten Familien wichtige Bildungsangebote verwehrt würden. Auch Mitglieder der Regierungskoalition lehnten das Vorhaben ab. Dennoch bekräftigten Union und FDP im November vergangenen Jahres, an der Einführung des Betreuungsgeldes festhalten zu wollen.

Eine Ende März vom Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) veröffentlichte Studie liefert den Kritikern empirische Belege für ihre Befürchtungen. Die Heidelberger Wirtschaftswissenschaftler Christine Gathmann und Björn Sass untersuchten die Auswirkungen des Landeserziehungsgeldes in Thüringen, das ungefähr dem für 2013 geplanten Betreuungsgeld entspricht. Vor sechs Jahren entschied die damalige CDU-Regierung, Eltern für die eigenständige Betreuung von Kindern unter drei Jahren monatlich 150 Euro zu zahlen. Die Ergebnisse sind eindeutig. Die Inanspruchnahme der öffentlichen Kinderbetreuung sank um elf Prozent. Die Quote der ausschließlich zu Hause betreuten Kinder stieg um 20 Prozent. Väter blieben im gleichen Maß erwerbstätig wie zuvor, doch die Lohnarbeit von Müttern ging um 20 Prozent zurück. Das Erziehungsgeld wird der Studie zufolge hauptsächlich von einkommensschwachen Haushalten und schlecht ausgebildeten oder alleinerziehenden Eltern in Anspruch genommen. Denn je geringer das Einkommen ist, desto höher ist der relative Mehrbetrag durch entfallende Betreuungskosten und die Prämie.
Gathmann und Sass betonen, dass die öffentliche Betreuung gerade auf die Entwicklung von Kindern aus solchen Familien einen positiven Effekt habe. Das Erziehungsgeld wirkt sich also nicht nur negativ auf die Frauenerwerbstätigkeit aus, sondern treibt auch jene Kinder aus der öffentlichen Betreuung, denen diese am meisten nützt. Ein vergleichbarer Effekt sei auch ab 2013 für das Betreuungsgeld zu erwarten, heißt es in der Untersuchung.
»Das Argument, dass das Betreuungsgeld dazu führt, dass vor allem Kinder von Geringverdienern länger zu Hause bleiben, kann nicht gelten«, widersprach Dorothee Bär, stellvertretende Generalsekretärin der CSU, sofort nach der Veröffentlichung. Es unterstelle nämlich, dass geringverdienende Eltern ihre Kinder nicht richtig erzögen. Doch das behauptet Gathmann nicht, wie sie im Gespräch mit der Jungle World betont: »Das hat nichts damit zu tun, dass ich in irgendeiner Form irgendwelchen Eltern unterstellen möchte, dass sie nicht das Beste für ihr Kind wollen.« In den Kitas stünden einfach ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung. Die Vorteile des Betreuungsgeldes sehe sie nicht, sagt die Professorin, weshalb sie sich wünsche, dass die Prämie nicht eingeführt wird.

Auch die Linkspartei lehnt die Einführung weiterhin ab. So sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping der Jungle World: »Das Vorhaben transportiert ein reaktionäres Mutterbild und geht am Interesse der Kinder vorbei.« Selbst in der CDU mehrt sich die Kritik. 23 Mitglieder der Bundestagsfraktion der Union gaben Ende März in einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder bekannt, die Einführung des Betreuungsgeldes nicht länger zu unterstützen. Da wird es knapp mit einer Regierungsmehrheit für den Beschluss.