Im Hamsterrad

Mit seinen Erzählbänden »Bürgerkriegsland fast am Ende« (1997) und »Pastoralien« (2002) wurde George Saunders zu einem gefeierten Autor bitterböser Gesellschaftssatiren: Ein Wolfsrudel von Existenzängsten im Nacken, fristen seine Protagonisten ein jämmerliches Dasein in Themenparks oder Stripbars. Saunders versenkt sich tief in ihr Schicksal und verleiht ihnen beim Durchpflügen ihres übertrieben grell, mitunter brutal inszenierten Alltagswahnsinns Geschwindigkeit und Glaubwürdigkeit.
Jetzt ist sein Erzählband »I Can Speak« erschienen, der alte Erzählfäden weiterspinnt, aber leider überzeugen die tendenziell langatmigen Plots eher selten. Man hat das alles schon ganz ähnlich gelesen. Abermals haben sich seine Erzähler – fremdbestimmt und selbstentfremdet – im Dickicht von allerlei Unzulänglichkeiten verheddert. Saunders zeichnet sie zumeist als naive Opfer dystopischer gesellschaftlicher Umstände. Kinder werden in einem Lager zu Trendscouts abgerichtet. Realityshow-Kandidaten verspeisen, ohne es zu ahnen, die eigene Mutter. In einer hysterisch gewordenen Kleinstadt werden zuerst die Hunde, dann alle Katzen und offensichtlich – das Ende ist offen – sämtliche Säugetiere getötet. Und der Erzähler staunt.
Die Figuren der Short Stories reden sich buchstäblich um Kopf und Kragen. Sie finden keinen Absprung aus dem Hamsterrad, in dem sie rennen. Der Leser aber, der springt irgendwann zugedröhnt und übersättigt ab.

George Saunders: I Can Speak. Aus dem Amerikanischen von Matthias Müller. Liebeskind-Verlag, München 2012, 269 Seiten, 18,90 Euro