Dancing in the Ramblas
Seit vergangenem Jahr verreise ich nicht mehr einfach bloß in andere Länder, um mich zu erholen. Statt Städtereisen mache ich jetzt Actionurlaub, zusammen mit anderen Leistungssüchtigen. An fast jedem Wochenende im Jahr können Swingtanzbegeisterte an irgendeinem Ort auf diesem Planeten, sei es in Buenos Aires, Istanbul oder Ljubljana, an einem Workshop teilnehmen, um von einigen der weltbesten Tanzlehrer unterrichtet zu werden. Tagsüber gibt es immer einige Stunden Unterricht und danach wird auf den Partys, meist zu Livemusik, stundenlang bis in den frühen Morgen getanzt. Am Osterwochenende war ich mit meiner Freundin in Barcelona auf dem Barswingona-Festival. Da wir einen Tag früher angereist waren, hatten wir Zeit, uns den Strand, die Ramblas und die Umgebung des Hotels im Stadtteil Poblenou, in dem wir wohnten, anzusehen. In der Woche um Karfreitag war es dort sehr ruhig, das öffentliche Leben eine einzige Siesta. Ab Donnerstag fanden der Unterricht und die Partys dann in einer Art Gemeindesaal statt. Um für die Kurse eingeteilt zu werden, gab es in Barcelona sogar ein Vortanzen. Wir tanzten mit wechselnden Partnern und wurden dann nach und nach aussortiert. Ich kam in die schwerere, meine Freundin in die leichtere Leistungsgruppe. Sie bekam ein weißes, ich ein blaues Band. Zuerst noch ein wenig stolz, hatte ich dann aber Mühe, mit dem Tempo der Gruppe mitzuhalten. Die Partys waren dennoch furios, und wir haben viele nette Leute kennengelernt.
Aber natürlich hatte ich mir, wie auf jeder Reise, auch diesmal vorgenommen, nach Schallplatten zu suchen. Schon in Berlin hatte mir ein Freund von Barcelonas »Straße der Platten« erzählt, in der er während der Wartezeit auf seinen Flug für Hunderte von Euro Platten gekauft hatte. Scheinbar ahnungslos waren wir in Richtung Altstadt gelaufen. Meine Freundin hoffte noch, das Gaudí-Haus zu sehen, da standen wir auch schon in der Carrer dels Tallers vor dem ersten Plattenladen. Geduldig kramte meine Freundin dann in den folgenden Stunden mit mir durch die Kisten verschiedener Läden, bis ihr der Rücken weh tat. Beschallt von ohrenbetäubendem Death Metal fand ich unter anderem diese spanische EP von Rudy Ventura und seiner Gruppe. Der Trompeter und Sänger Rudy Ventura, 1926 als Jaume Serra Ventura in Barcelona geboren, war Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger einer der Pioniere der populären katalanischen Musik. Als großer Fan des FC Barcelona begleitete er die Mannschaft bei besonderen Anlässen und komponierte die Hymne des Fanclubs »Som Barca« (Wir Barca). Versteckt unter den vier Titeln des Soundtracks zum Film »Pepe« des mexikanischen Komikers Cantinflas, in dem unter anderem Sammy Davis Jr., Zsa Zsa Gabor, Judy Garland, Jack Lemmon, Frank Sinatra und Edward G. Robinson mitspielen, ist »1-X-2 Quiniela Endemoniada« ein fetziger spanischer Rock’n’Roll-Song.
