Antje von Broock im Gespräch über das Klima, die Umwelt und den »McPlanet«-Kongress in Berlin

»Man muss den Klimaschutz naturverträglich gestalten«

Von Freitag bis Sonntag findet in Berlin der »Internationale Bewegungskongress zu Globalisierung, Umwelt und globaler Gerechtigkeit«, auch genannt »McPlanet«, statt. Veranstalter sind u.a. Greenpeace, Attac, Brot für die Welt, die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Antje von Broock ist Expertin für internatio­nale Klimapolitik beim BUND.
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Was ist gegen den Klimawandel eigentlich einzuwenden?
Der Klimawandel bedroht uns global, und am schlimmsten betrifft es diejenigen, die sowieso am wehrlosesten sind, in den armen Ländern, weil dort Dürren und Fluten viel dramatischere Folgen haben. Und bestimmte Regionen sind schon jetzt stärker betroffen als andere. Aber es betrifft auch uns hier. Natürlich hängen Einzelwetterereignisse nicht immer mit dem Klimawandel zusammen, aber die Häufung an Regenfluten, an besonders heißen Sommern und besonders kalten Wintern deutet darauf hin, dass der Klimawandel auch in Europa schon zu spüren ist.
Aber ist das nun gut oder schlecht? Muss ein Wandel des Klimas zwangsläufig schlecht für uns sein?
Man muss es langfristig betrachten. Natürlich kann man sagen, kurzfristig ist ein heißer Sommer in Nordeuropa ja ganz angenehm, aber die Folgen für die Natur, für die Artenvielfalt, die kann man nur langfristig feststellen. Und wenn bestimmte Pflanzen aussterben, wenn bestimmte Regionen nicht mehr bewohnbar sind, ist das natürlich verheerend.
Dafür werden vielleicht andere Regionen bewohnbar, zum Beispiel Sibirien.
Ja, aber man muss die Summe betrachten, also ob wir mehr Vor- oder mehr Nachteile haben, und da würde ich behaupten, wir werden mehr Nachteile haben.
Drastischer als die Folgen des Klimawandels erscheinen mir bisher jedenfalls die Folgen der Klimapolitik: Regenwälder werden für Biosprit abgeholzt, Orang Utans nimmt man den letzten Lebensraum – das alles, um angeblich das Klima zu schützen. Ist die Klimapolitik nicht vollständig gescheitert?
Die Weltpolitik hat sich seit dem Beschluss des Kyoto-Protokolls maßgeblich verändert. Wir haben nicht nur viel mehr große CO2-Emittenten, sondern es gibt auch viele neue Themengebiete. Entwaldung etwa spielt eine zunehmende Rolle sowie das wachsende Verkehrsaufkommen. 1997 war die Lage ja noch eine ganz andere. Es gibt viel mehr Staaten, die für sich beanspruchen, mitreden zu wollen. Es gibt auf UN-Ebene eine große, starke Gruppe von Entwicklungsländern, die selbstbewusst ihre Position vertreten und sich nicht mehr einfach so von den Indus­trieländern einkaufen lassen. Und da ist die Entwicklung der Uno nicht ganz mitgekommen. Auf diplomatischem Parkett treten wir tatsächlich etwas auf der Stelle. Aber wenn wir uns das Ergebnis der Klimakonferenz in Durban im Winter anschauen, dann sehen wir, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass wir alle etwas tun müssen. Inzwischen ist es ja Konsens: Alle Länder emittieren CO2 und wir müssen alle Emissionen betrachten.
Global gibt es eigentlich nur zwei klimapolitische Maßnahmen, die überall umgesetzt werden: Biosprit-Förderung und Emissionshandel. Beides taugt erwiesenermaßen nicht dazu, den Klimawandel aufzuhalten, und beides schadet eher, als dass es hilft. Muss klimapolitisch nicht umgedacht werden?
Es gibt kein internationales Biospritabkommen, keinen internationalen Beschluss, dass wir eine bestimmte Menge Biosprit auf dem Markt haben wollen. Auf EU-Ebene gibt es zwar einen solchen Beschluss, das hat aber nichts mit den UN-Klimaverhandlungen zu tun. Und der Emissionshandel existiert im Moment de facto ja auch nur in der EU. Recht haben Sie aber natürlich damit, dass wir umdenken müssen. Wir müssen einsehen, dass die Diplomatie zu schleppend vorankommt, und darum müssen wir an anderer Stelle schnelleres Handeln befördern und vor allem regionale Aktivitäten stärken. Man kann sehr viel dafür tun, dass Emissionen regional reduziert werden. Wo man national nicht weiterkommt, kann man lokal handeln. Man kann zum Beispiel energie­autonome Kommunen unterstützen, die sich komplett mit erneuerbaren Energien versorgen.
Der weltweite CO2-Ausstoß nimmt trotz Kyoto und trotz weltweiter Klimadebatte nicht ab, sondern drastisch zu, und das wird sich angesichts des wirtschaftlichen Wachstums in Ostasien auch nicht ändern. Sollte man da nicht lieber all die Energie statt in am Ende eh nicht zu erreichende CO2-Reduktion lieber in konkrete Maßnahmen stecken, die Menschen helfen, mit den Folgen des Klimawandels besser zurecht zu kommen?
Wir müssen das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Wir dürfen tatsächlich nicht so tun, als ob wir über Klimaanpassung nicht reden müssten. Das behauptet aber auch niemand. Klimaanpassung wird auch auf UN-Ebene im Rahmen eines Anpassungsfonds besprochen. Dennoch können wir nicht darauf verzichten zu versuchen, den Klimawandel aufzuhalten. Vor allem müssen wir uns einmischen, auch in die UN-Klimapolitik, damit wir nicht den Unternehmen die Entscheidungshoheit überlassen, denn die investieren nur da, wo sie am meisten Profit erzielen. Und das ist dann unter Umständen Atomkraft, Biosprit – bzw. wie wir es nennen »Agrosprit«, denn »bio« ist das ja nicht.
Zeigt sich nicht an Beispielen wie Biosprit, dass, was gut fürs Klima ist, noch längst nicht gut für Tiere und Umwelt ist? Müsste man nicht Umwelt- bzw. Naturschutz und Klimaschutz voneinander trennen?
In der Tat gibt es Widersprüche, etwa bei der Energiegewinnung aus Biomasse und der damit einhergehenden Vermaisung, also flächendeckendem Mais-Anbau in der Landwirtschaft. Oder wenn flächendeckend Wald abgeholzt wird, um Biomasse zu gewinnen. Man muss den Klimaschutz naturverträglich gestalten. Das ist dann oft eine Abwägungsfrage. Am geeignetsten sind meist kleinteilige Ansätze: dezentrale Energieversorgung statt zentraler Lösungen, Reststoffverwertung in Biogasanlagen statt industriellen Maisanbaus.
Sollte man, so lange nicht garantiert werden kann, dass für Biosprit Regenwälder abgeholzt und Palmölplantagen angelegt werden, einen Stopp der Biosprit-Politik in Europa fordern?
Auf jeden Fall! Die Ausweitung der Flächen für Biomasse muss verhindert werden. Übrigens nicht nur, weil Waldflächen verdrängt werden, sondern es werden auch Flächen für die Lebensmittelproduktion verdrängt. Wir haben mal eine Bestandsaufnahme auf Java in Indonesien gemacht, wo Bauern gedrängt wurden, die ölhaltige Pflanze Jatropha anzubauen anstatt wie vorher Getreide. Das Ergebnis war, dass die Familien jetzt weniger verdienen und zusätzlich viel mehr Nahrungsmittel selber einkaufen müssen, weshalb sie nun stärker von Hunger bedroht sind. Das hat also auch ganz fatale soziale Folgen.
Beim »McPlanet«-Kongress, der am Freitag beginnt, soll »kritisch Bilanz« gezogen werden, und es wird im Aufruf auch offen zur Selbstkritik ermuntert. Was erhoffen Sie sich als Ergebnis der Tagung?
Es geht bei »McPlanet« nicht darum, dass sich Organisationen zusammensetzen und gemeinsam Positionspapiere schreiben. Dafür bräuchten wir nicht einen öffentlichen Kongress mit 1 500 Teilnehmern. »McPlanet« ist für uns vielmehr ein Raum, wo wir Leute zusammenbringen, die in diversen Bewegungen organisiert sind, die nicht alle bei Umwelt- und Entwicklungsorganisationen angestellt sind. Es geht darum, diese Leute zu vernetzen, Inspirationen zu gewinnen, vielleicht neue Initiativen in Gang zu setzen.
Und gibt es in den Bewegungen, die dort repräsentiert sind, tatsächlich ein Bedürfnis danach, auch selbstkritisch Bilanz zu ziehen?
Keiner von uns ist damit zufrieden, wie schleichend die Entwicklung im internationalen Klimaschutz vorangeht. Wir fragen uns natürlich, wie wir noch mehr Einfluss nehmen, wie wir den Prozess beschleunigen können. Wir können durchaus noch besser werden darin, die verschiedenen Stärken, die die diversen Organisationen und Bewegungen haben, zusammenzubringen.