Wahrhaftiges Nuscheln

Als Lambchop Mitte der neunziger Jahre ihre ersten Platten veröffentlichten, waren sie bereits alte Hasen. Die Bandmitglieder hatten einiges erlebt, hatten ein Leben geführt; Bandleader Kurt Wagner hatte als Fliesenleger gearbeitet. Das Musikmachen war seine Freizeitbeschäftigung. Was erlebt haben auch die Songs der Gruppe aus Nashville. Anfangs lief die musikalische Vision Lambchops über Punk und Stax-Soul; die Langsamkeit der Stücke wurde mitunter konterkariert von Noise. Heute sind die Musiker 50 Jahre und älter. Die Töne, die sie anschlagen, sind im Laufe der Jahre insgesamt leisere geworden. Die Räumlichkeit ihrer Musik hingegen wurde zunehmend erfahrbar. Eine Frage der Produktion. Die Lyrics bekamen mit der Zeit schmerzhafte Dimensionen: Wagner hatte den Tod des Vaters zu beklagen und ein Krebsleiden hinter sich.
Das neue Album »Mr. M« versucht, den Selbstmord des befreundeten Singer/Songwriters Vic Chestnut zu verarbeiten. Wagner bricht die Trauer durch die Hoffnung, ergänzt den Tod durchs Leben; er singt von der Liebe zu seiner Frau. Bisweilen heißt es, Lambchop wiederholten sich. Vielleicht ist es eher so, dass sie die Bezugskoordinaten vorsichtig verschieben. »Mr. M« ist »soulful« Country-Folk, angereichert mit schmerzhaft schönen Arrangements, mit Flöten und Streichern aus dem Popgedächtnis Burt Bacharchs. Und abermals staunt man nur: Dieses verlorene Nuscheln Wagners – wahrhaftiger als hier und heute kann es nie gewesen sein.

Lambchop: Mr. M
(City Slang/Universal)