Nachrichten oder nur Mörder-PR?

Es gibt nichts zu beschönigen: Die Medien haben versagt. Sie sind diesem durchgeknallten Massenmörder und seiner perversen PR-Strategie auf den Leim gegangen. Schlimmer noch, sie haben sich zu Handlangern, zu Erfüllungsgehilfen des 33jährigen gemacht. Schande über Fernsehsender, Zeitungen, Radiostationen und Onlineportale! Wie konntet ihr nur Anders Breivik, der 77 Menschen kaltblütig ermordet hat, eine Bühne bieten, ihn sein krudes, abstoßendes und rassistisches Propaganda-Gift versprühen lassen? Ach, hätten die Journalisten endlich mal geschwiegen und das Gerichtsverfahren gegen den selbsternannten Tempelritter einfach keines Beitrags gewürdigt. Die perverse Show des Killers wäre uns erspart geblieben.
Ja, es gab viele Leserkommentare in ganz verschiedenen Medien, die die ausführliche Berichterstattung über den Prozess gegen Breivik scharf kritisierten – in Norwegen selbst, aber auch hierzulande. Dafür kann man Verständnis haben. Doch es war und ist, etwas pathetisch formuliert, die Pflicht der Medien, sich diesem Fall zu widmen. Auch wenn Täter und Taten eine Zumutung sind. Es muss sein, aus mehreren Gründen.
Da ist zum Beispiel die banale Tatsache, dass das Verfahren gegen den Fanatiker wohl unbestritten eine Nachricht ist, und zwar eine relevante. Es geht um Informationen, die man weder unterdrücken kann noch darf. Vielmehr besteht eine Notwendigkeit, die Öffentlichkeit im besten Sinne des Wortes aufzuklären – vor allem über Anders Breiviks Motive und sein höchst gefährliches Weltbild. Denn der Mann hat seine Morde nicht nur akribisch geplant, sondern er bedient sich als Rechtfertigung einer rechtsradikalen, einer inzwischen populär-populistischen Ideologie, die menschenverachtend auf Ausgrenzung und Hass gründet und kurz zusammengefasst lautet: mein Feind, der Muslim.
Bei Breivik hat sich dieses Denken zum Wahn gesteigert. Er glaubt, dass er mit seinem Massaker Norwegen vor einem islamischen Ansturm habe schützen müssen. Klingt irrsinnig, liegt jedoch – abgesehen von der mörderischen Gewalt – über weite Strecken auf einer Linie mit dem, was einige Politiker von sich geben. Grund genug für verantwortungsbewusste Medien, auf derartige Gefahren hinzuweisen. Dass einer wie Breivik die Situation ausnutzt, um sich zu inszenieren, muss man dabei in Kauf nehmen.
Das mag furchtbar sein. Aber die Augen vor dem Furchtbaren zu verschließen, hilft nicht weiter. Im Gegenteil. Wir müssen genau hinsehen und hinhören. Wir müssen wissen, wer Hass und Gewalt im Sinn hat – egal, ob es sich um einen Nazi oder einen militanten Islamisten handelt. Die Medien können ihren Beitrag dazu leisten. Indem sie nüchtern berichten. Auch über die Worte und Taten eines Anders Breivik.