Eine Razzia gegen Nazis in NRW

Null Punkte für den Freundeskreis

Seit dem vergangenen Jahr gibt es das »Acht-Punkte-Programm gegen Rechts­extremismus« der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Die Razzia gegen eine Gruppe militanter Nazis in der vergangenen Woche ist ein Ergebnis des Programms.

»Und werden die Zeiten härter, gehen wir in den Untergrund!« Mit dieser Losung begrüßte der »Freundeskreis Rade« Internetsurfer lange auf seiner Website. Auf einem Foto waren zudem vermummte Personen zu sehen. Als Symbol diente dem »Freundeskreis« militanter Nazis das Symbol eines Mannes, der mit einer Mistgabel auf einen am Boden liegenden Linken einsticht.

»Rade« steht für Radevormwald, eine nordrheinwestfälische Kleinstadt mit etwa 23 000 Einwohnern. Die Nazis aus dem »Freundeskreis«, gegen die nun wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird, leben im Bergischen Land, einer ländlichen Gegend am Rande der Wupper zwischen Köln und Wuppertal. Hier kann eine Mistgabel tatsächlich noch eine Waffe sein. Hendrik Puls, ein Mitarbeiter der »Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Köln«, berichtet, die Aussage vom »Untergrund« sei schon länger auf der Website zu lesen gewesen. »Auch nachdem die Mordserie des ›Nationalsozialistischen Untergrunds‹ intensive Diskussionen über die Gefahr des Rechtsterrorismus in Deutschland ausgelöst hatte, blieb der Slogan im Netz.«
Vor einigen Wochen änderte der »Freundeskreis« zunächst Teile der Seite und nahm sie dann nahezu vollständig aus dem Netz. Es nutzte nichts: Bei einer Razzia nahm die Polizei in der vergangenen Woche drei mutmaßliche Anführer der Gruppe in Haft. Das Trio wurde kurz darauf jedoch wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Nach Angaben der Kölner Polizei wird jedoch gegen die 18 und 20 Jahre alten Männer weiter ermittelt. Schätzungen zufolge hat der »Freundeskreis« etwa 20 junge Mitglieder, die sich an den »Autonomen Nationalisten« orientieren und äußerlich wie eine Mischung aus Linksautonomen, Emos und HipHoppern wirken.
Im Rahmen der Razzia waren in Radevormwald, Wuppertal, Düsseldorf und Essen ungefähr 20 Wohnungen und Objekte durchsucht worden. Auch das Fraktionsbüro der rechtsextremen Splitterpartei »Pro NRW« in Radevormwald gehörte dazu. Der Bruder eines Ratsmitglieds von »Pro NRW« steht im Verdacht, einer der Anführer des »Freundeskreises« zu sein. Zwar bemüht sich »Pro NRW« um ein bürgerliches Auftreten, indes teilten die Ermittler mit, dass bei zweien der kurzzeitig Festgenommenen Mitgliederausweise von »Pro NRW« gefunden worden seien.

Auf einer Pressekonferenz in Köln präsentierte die Staatsanwaltschaft bei der Razzia sichergestellte Waffen. Darunter waren Schusswaffen, Messer, Reizgas, Wurfsterne, Schwerter, Schlagringe und Schlagstöcke, die Beamten hatten zudem Propagandamaterial und NS-Devotionalien gefunden. Neben Aufklebern des »Freundeskreises« wurden auch solche von »Pro NRW« präsentiert. Markus Beisicht, der Vorsitzende der Partei, teilte mit, die beiden Personen, bei denen die Ausweise gefunden wurden, seien nicht mehr Mitglieder von »Pro NRW«. Einer sei ausgeschlossen worden, weil er die Mitgliedsbeiträge nicht entrichtet habe. Den anderen habe man wegen »falscher Freunde« ausgeschlossen. Die Ermittler sahen dennoch eine klare Verbindung zwischen dem »Freundeskreis« und »Pro NRW«. So hatten Angehörige der Vereinigung aus Radevormwald nicht nur an Naziaufmärschen, sondern auch an Aktionen von »Pro NRW« teilgenommen.
Stolz präsentierte sich der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die Ermittlungen zeigten, dass man »konsequent gegen den braunen Sumpf« vorgehe. »Der Ermittlungsdruck auf die Neonazis wurde deutlich erhöht, kriminelle Aktivitäten rechtsextremistischer Straftäter werden entschlossen geahndet.« Bereits im Dezember hatte Jäger ein »Acht-Punkte-Programm« vorgestellt. Anlass waren auch die Enthüllungen zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) und die zahlreichen Ermittlungsfehler der Behörden. Beim Landeskriminalamt koordiniert nun gemäß dem Programm das »Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus« landesweit die Bekämpfung rechtsextremer Straftaten. Außerdem werden nun nicht nur, wie zuvor üblich, den Staatsschutz betreffende Delikte, sondern alle Straftaten von Nazis statistisch erfasst, um »ein klareres Bild über ihre sämtlichen kriminellen Aktivitäten« zu erhalten.
Neben der Gründung des »Kompetenzzentrums« wurden bei den Polizeibehörden in Dortmund, Aachen, Wuppertal und Köln Sonderkommissionen eingerichtet und zusätzliche Ermittler bereitgestellt. Diese Städte und ihr Umland gelten als besonders wichtig für die Naziszene. Auffällig gewordene Nazis werden in diesen Regionen nun ähnlich behandelt wie sogenannte Intensivtäter, eigens für sie abgestellte Beamte beobachten ihre Aktivitäten. Zudem sollen die Kontrollen an Szenetreffpunkten verstärkt werden. Überdies werden dem Plan des Ministers zufolge die präventive Arbeit verstärkt sowie Aussteigerprogramme stärker gefördert. Der Besitz legaler Schusswaffen soll Nazis unmöglich gemacht werden. Wenn jemand einen Waffenschein beantrage, müsse eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgen, verlangt Jäger.

Antifaschisten reagierten unterschiedlich auf Jägers Programm. Es zeige, dass bisher nicht konsequent gegen Nazis vorgegangen worden sei, wurde einerseits kritisiert. Nun werde endlich gehandelt, wurde andererseits positiv angemerkt. Dass sich die angekündigte »maximale Erhöhung des Ermittlungsdrucks« gegen den »Freundeskreis Rade« richtete, überrascht nicht. Mitglieder der Gruppe waren immer wieder an schweren Gewalttaten gegen Migranten, tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner und Polizisten beteiligt, sie fielen durch das Skandieren rechtsextremer Parolen und »Sieg Heil«-Rufe auf und beschädigten die Moschee in Radevormwald. Es wurden Plakate geklebt, die das Konterfei eines Schulleiters, der über die Aktivitäten der Szene aufklärte, in einem Fadenkreuz zeigten. Anonym war die Morddrohung nicht, gekennzeichnet war sie mit »Freundeskreis Rade«. »Die Maßnahmen der Polizei entsprechen unserer immer wieder vorgetragenen Forderung, konsequent gegen neofaschistische Gruppen in Radevormwald vorzugehen«, lobte deshalb sogar der Ratsherr der »Linkspartei«, Fritz Ullmann, die Razzia. Nun ist abzuwarten, ob die Nazis den Slogan ihrer Website in die Tat umsetzen und in den Untergrund gehen.