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Wenn die vielbeschworene Krise zuschlägt und für Ebbe im Geldbeutel sorgt, ist Kompensation angesagt. Dann soll es nicht mehr um den schnöden Mammon gehen, dann stehen plötzlich Werte hoch im Kurs. Das dachten sich wohl auch die Macher des Blogs eines großen deutschen Wochenmagazins, als sie Anfang Mai begannen, über einen ganz speziellen Wert zu sinnieren: »Demut galt einst als hohe Tugend, doch dann verlor der Begriff an Bedeutung. Heute wächst die Sehnsucht nach Werten wieder.« Und diese Sehnsucht kann prima befeuert werden, wenn man die ganz Großen dieser Welt im Interview mit diesem Wert belämmert. Dann gibt es plötzlich eine wahre Sintflut von Demü­tigen, dass einem ganz schummrig wird, und für jeden ist dieser Wert genau das Richtige. Der deutsche Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse spricht dann über »seinen Weg in die Demut«, Konstantin Wecker, der »Rebell«, der »Schreck des Bürgertums«, erklärt, warum für einen Rebellen Demut angebracht sei, und Matthias Sammer empfiehlt Jungprofis Demut, weil diese für den Erfolg von Bedeutung sei; im Übrigen habe ihn seine Verletzung demütiger gemacht.
Nach einer großangelegten Recherche ist die Redaktion Ihrer Lieblingszeitung, die ja, wie Sie wissen, der Wertvergesellschaftung etwas misstrauisch gegenüber steht, hinter das Geheimnis dieses Werts gekommen. »Der Ausdruck Demut kommt aus dem althochdeutschen diomuoti (›dienstwillig‹, also eigentlich ›Gesinnung eines Dienenden‹) und wurde von Martin Luther zur Übersetzung der biblischen Ausdrücke tapeino­phrosyne (griech.) bzw. der lateinischen Übersetzung humilitas benutzt«, erläutert unsere exklusive Quelle Wikipedia.
Ertappt! Althochdeutsch! Dienstwillig! Gesinnung eines Dienenden! Dass mit diesem besonderen Wert etwas faul ist, das haben wir uns doch gleich gedacht. Da grinst einen die gute alte deutsche Knechtsseele an, und eine religiöse Konnotation, sehr wichtig in Zeiten, in denen die Gier nach Werten die Menschen überfällt, ist auch dabei. Damit die Demut nicht allzu altväterlich daherkommt, muss sie etwas aufgehübscht werden – ganz einfach, man muss sie nur mit »Erfolg« und vor allem mit »Rebellion« verpanschen. Fertig ist der Neue Deutsche Wert, bestens dafür geeignet, erfolgreich eine konformistische Rebellion zu beginnen.

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Der falsche Barth. Der Barth, von dem im Dossier über Humor im amerikanischen Wahlkampf (»Ausgelacht«, »Jungle World« 18/12) die Rede war, ist natürlich Mario, nicht Karl. Karl Barth war ein intelligenter evangelischer Theologe.