Eine Kampagne zur Erinnerung an Dieter Eich

Liebling Hakenkreuzberg

Vor zwölf Jahren ermordeten Nazis in Berlin den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich. Eine antifaschistische Kampagne beschäftigt sich erneut mit der Tat, den Tätern und ihrem Umfeld. Der damalige Verteidiger der vier Männer vertrat noch weitere Nazis vor Gericht.

Nächstes Jahr könnte es so weit sein. Nach Informationen von Zeit Online soll Matthias K. 2013 aus der Haft entlassen werden. In der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2000 ermordete der Nazi zusammen mit seinen Kameraden René R., Andreas I. und Thomas S. den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich in dessen Wohnung im Berliner Ortsteil Buch. Die anderen Täter haben ihre Haftzeit bereits verbüßt.

Am 19. Mai soll es nun zum dritten Mal eine antifaschistische Demonstration in Berlin-Buch zum Gedenken an Dieter Eich geben. An diesem Mittwoch, dem 16. Mai, findet eine Demonstration unter dem Motto »Nazis aus der Deckung holen« in Berlin-Dahlem statt, die zur Kanzlei von Aribert Streubel führen soll, dem damaligen Verteidiger der Täter. Die Kampagne »Niemand ist vergessen«, die sich seit dem Jahr 2010 des Gedenkens an Dieter Eich sowie der Aufarbeitung der Tat und der Motive der Täter angenommen hat, möchte so die Aufmerksamkeit auch auf Streubel richten.
Im Duktus und in der Ideologie der damaligen Täter war Eich nur »Abschaum, der weg musste«, und ein »asozialer Alkoholiker«. Sie wollten »einen Assi klatschen«, wie sie der Polizei nach ihrer Festnahme sagten. Bisher lag der Schwerpunkt der Kampagne darauf, auf den Hass der Nazis auf Obdachlose und andere Personen aufmerksam zu machen, die ebenfalls in der Leistungsgesellschaft stigmatisiert und marginalisiert werden. Allein im Tatjahr 2000 waren sechs der insgesamt 13 Mordopfer von Nazis Obdachlose.
In diesem Jahr befassen sich die Berliner Antifaschisten nicht nur mit den damaligen Mördern. Im Fall Dieter Eich stößt man schnell auf eine bekannte Person der Berliner Naziszene. So war Arnulf Priem mit dem Haupttäter Matthias K. gut befreundet. K. versuchte im Prozess lange Zeit, seine führende Rolle zu bestreiten, indem er angab, betrunken gewesen zu sein und sich daher an nichts erinnern zu können. Priem, unter anderem wegen der »Bildung eines bewaffneten Haufens« verurteilt, sei ein »Rassist und Antisemit bis auf die Knochen«, urteilte einst Burkhard Schröder, Rechtsextremismusexperte und Autor der Jungle World. In der DDR wegen »staatsfeind­licher Propaganda« inhaftiert und von der Bundesrepublik freigekauft, durchlief Priem schon in den siebziger Jahren mehrere rechtsextreme Organisationen und unterhielt bis 1984 eine eigene Wehrsportgruppe. Als Mitglied im Rockerclub »Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft«, zu dessen Mitbegründern auch Michael Regener, der ehemalige Sänger der Band Landser, zählt, galt Priem lange als Mittelsmann zwischen Rockern und militanten Nazis.

»Priem und der Täteranwalt Streubel waren zentrale Figuren in diesem Fall«, sagt Martin Sonnenburg, der Pressesprecher der Kampagne »Niemand ist vergessen«, im Gespräch mit der Jungle World. Priem hat eine Vielzahl junger Nazis ausgebildet, etliche bekannte Personen standen mit ihm in Verbindung, wie beispielsweise der Polizistenmörder Kay Diesner. Dieter Eichs Mörder besuchten ihn am Tag nach ihrer Tat. Letztlich war es Priem, der die Täter an seinen damaligen Stammanwalt Streubel vermittelte.
Dieser galt besonders in den Neunzigern bei Antifaschisten als ein wichtiger Verteidiger in der rechtsextremen Szene. Der Rechtsanwalt Christoph Kliesing stand Streubel vor 17 Jahren in einem Verfahren gegenüber. Kliesing vertrat damals vor Gericht einen Nigerianer, der einen rassistischen Mordversuch nur knapp überlebt hatte. Streubel war der Verteidiger des Täters Carsten Szczepanski aus Königs Wusterhausen, der später als V-Mann aufflog und nach offiziellen Angaben während der Untersuchungshaft im dama­ligen Verfahren angeworben wurde. Auch Kliesing weiß, dass Streubel mehrfach Nazis verteidigt hat. Im damaligen Verfahren habe Streubel versucht, die ideologischen Hintergründe zu relativieren, sagt Kliesing. Szczepanski habe »Gefallen« an diesem Verteidigungsstil gezeigt.
Ob Streubel ein überzeugter Nazi sei, könne er jedoch nicht beurteilen, auch wenn die Szene dem Verteidiger »nicht ganz fern stand«. »Anders als bei ›Kollegen‹, die Teil der rechten Szene waren, kann ich es bei ihm nicht bestätigen«, sagt der Anwalt. »Egal ob Waffendeal, Raub oder Mord, Streubel plädierte immer auf Freispruch«, sagt Sonnenburg. Die Prozesstaktik des Anwalts sei meist »zermürbend«. Ständige Wiederholungsfragen und Dutzende von Anträgen sollen die Verfahren »in die Länge ziehen und zu einer Tortur machen«.
Nach damaligen Recherchen des Berliner Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums gehörte Streubel im Raum Berlin zu den empfohlenen Anwälten des »Deutschen Rechtsbüros«, nach eigenen Angaben eine »Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Grundrechte nationaler Deutscher«. Streubel verteidigte neben Priem weitere Nazikader wie den ehemaligen FAP-Vorsitzenden Lars Burmeister oder den wegen Raubes und Körperverletzung verurteilten Rene P. von den »Freien Kräften Berlin Südost«. Zuletzt erregte Streubel vor vier Jahren die Aufmerksamkeit der Medien, als er als Rechtsanwalt für die DVU-Fraktion im brandenburgischen Landtag tätig war.

»Die Mörder von Dieter Eich waren angebunden an eine organisierte und militante Naziszene«, bekräftigt Sonnenburg. Der Kampagne »Niemand ist vergessen« geht es auch darum, im Zuge der Debatte über die NSU die Gewaltbereitschaft der damaligen Naziszene zu beleuchten. Auch die untergetauchte Zwickauer Zelle und ihr Netzwerk entstammten jener militanten Szene, die sich in den Neunzigern bundesweit gebildet hatte. Für Sonnenburg steht fest, dass es »über Jahrzehnte eine offene rechtsterroristische Szene gab«. Nach Recherchen von Zeit Online waren bis zum Jahr 2000 bereits über 80 Mordopfer von Nazis zu beklagen. In dieser Hochphase der extremen Rechten, an deren Ende Streubel auch die Mörder Dieter Eichs verteidigte, erreichte sein Engagement für die Szene seinen Höhepunkt.