24.05.2012

Arm, aber rauchfrei

Als »Nanny State« bezeichnete einst die neuseeländische National Party das Staatsmodell, das der von 1999 bis 2008 dort regierenden Labour Party angeblich vorschwebte. Kritisiert wurde damit eine Politik, mit der der Staat versucht, seine Bürger autoritär zu erziehen. Die Nanny scheint zurück zu sein. Man muss die politischen Ansichten der konservativen National Party nicht teilen, um den derzeit in Neuseeland herrschenden Erziehungswahn zu kritisieren.
Die stellvertretende Gesundheitsministerin Tariana Turia hat gerade ihre Vorstellung von einer »idealen Welt« verkündet. Armut und Hunger kann man ja später abschaffen, zunächst einmal müsse es ein »komplettes Verkaufsverbot aller Tabakwaren« geben. Ganz Feuer und Flamme für ihre grandiose Idee, hat Turia diese sogar noch weitergetrieben: Bis 2025 soll ihr Land absolut rauchfrei sein, dazu sollen die Preise für eine Packung Zigaretten auf umgerechnet weit über 30 Euro steigen. Die Chancen für eine Realisierung des Vorhabens stehen gut: Das Parlament hat fast ausnahmslos für Turias »Smoke-free-bills« gestimmt. Turia ist eine der beliebtesten Politikerinnen des Landes, außerdem leitet sie drei weitere Ministerien. Seit 20 Jahren ist die sechsfache Mutter parteipolitisch aktiv, zunächst war sie Abgeordnete und Ministerin der Labour Party, nach Streitigkeiten um Fischfangrechte gründete sie unter lautem Getöse die Māori Party.
Die Rechte der neuseeländischen Indigenen sind ihr Steckenpferd und das ihrer Partei, insbesondere der Schutz der māorischen Jugend gegen ungesunde »westliche« Einflüsse. Als Ministerin für den Māori-Distrikt Whānau Ora forcierte sie immer wieder entsprechende »Gesundheitsprogramme«. Tatsächlich ist der Tabakkonsum der Jugendlichen nach offiziellen Angaben so niedrig wie nie zuvor. Der Gesundheit der māorischen Jugendlichen mag dies zuträglich sein, im Vergleich zur neuseeländischen Restbevölkerung sind Māori im Durchschnitt aber immer noch ökonomisch und sozial benachteiligt, deshalb liegt ihre Lebenserwartung weiterhin unter dem Durchschnitt. Anstatt Armut und Ausgrenzung zu bekämpfen, scheint sich Turia Australien zum Vorbild genommen zu haben, wo die Regierung ebenso mit aller Leidenschaft gegen Glühbirnen und Glimmstängel vorgeht. Dank Erzieherinnen wie Turia werden die Armen dieser Welt sich zu ihrem Glück nichts mehr leisten können, das ihren Geist oder ihre Lungen trüben könnte.