Die Bedeutung der griechischen Wahlen für die Euro-Zone

Chicken Game

Nur eine von Alexis Tsipras geführte griechische Regierung kann die Eskalation der Euro-Krise verhindern.

Wahlen können etwas ändern. Vom Ausgang der griechischen Parlamentswahl am 17. Juni hängt sogar die Zukunft der Euro-Zone ab. Den Umfragen zufolge könnte das linke Parteienbündnis Syriza zur stärksten Fraktion werden. Sollte dessen Vorsitzender Alexis Tsipras eine Regierung bilden, wird die Koalitionsvereinbarung eine Ablehnung der bisherigen Sparpolitik beinhalten.
Die deutsche Regierung, ansonsten gesprächsbereit gegenüber jedem Dikator, lehnt Verhandlungen mit einer demokratisch legitimierten griechischen Regierung strikt ab. Beim G8-Gipfel am Wochenende drang US-Präsident Barack Obama einmal mehr vergeblich auf die Abkehr von einer Sparpolitik, die nicht nur Südeuropa in die Rezession treibt, sondern auch zu einer weiteren globalen Finanzkrise führen könnte. Doch womit sollte er den allzu solventen Deutschen drohen?
Nur die griechische Regierung hat ein Druckmittel. Syriza befürwortet den Verbleib in der Euro-Zone, und hinauswerfen kann man die Griechen auf legalem Weg nicht. Die Gläubigerstaaten und -institutionen können zwar ihre Zahlungen stoppen und so einen unkontrollierten Bankrott herbeiführen. Dann aber werde es »auch schwer für den Rest von Europa, weil der Euro zusammenbrechen wird«, warnte Tsipras.
Die von der britischen Tageszeitung Guardian zitierte Schätzung eines Experten, dass eine Staatspleite Griechenlands eine Billion Dollar kosten würde, ist möglicherweise noch zu optimistisch. Steigende Zinsen für die Anleihen südeuropäischer Staaten würden die Schuldenzahlung erschweren, zu erwarten ist auch eine Kapitalflucht, die die Rezession verschärfen würde. Es ist fraglich, ob das europäische Bankenssystem, das bereits im Herbst vorigen Jahres »einem Kollaps sehr nahe« war, wie der Exekutivdirektor der Europäischen Zentralbank, Benoît Coeuré, jüngst gestand, ein solches Desaster überstehen würde.
In der Spieltheorie bezeichnet man diese Situation als chicken game: Zwei Autofahrer rasen auf­einander zu, Verlierer ist, wer zuerst ausweicht. Weicht keiner aus, sind allerdings beide tot, und weiterhin verbreiten deutsche Politiker wie Finanzminister Wolfgang Schäuble die realitätsferne Behauptung, ein griechischer Staatsbankrott sei keine große Sache. Griechenland aber muss den Crash riskieren, um dem Ruin zu entgehen.
Syriza hat einen moderaten Plan vorgelegt: Die Schuldenrückzahlung soll zeitweise ausgesetzt und die Gesamtsumme – die höher ist als zu Beginn der »Griechenland-Hilfe« – auf ein bezahl­bares Maß reduziert werden. Welche Zugeständnisse Tsipras machen würde, hat er bereits angedeutet: »Wir wollen die europäische Solidarität nutzen, um die Basis für langfristige Reformen zu schaffen.« Maßnahmen wie eine »Flexibilisierung« des Arbeitsmarkts und eine Erhöhung des Rentenalters kann eine linke Regierung am besten durchsetzen.
Auch auf diese Weise würden die Lohnabhängigen für die Krise zahlen, wenngleich in kleineren ­Raten. Überdies besteht nicht nur in Griechenland die Gefahr, dass Maßnahmen zur Erhöhung der »Wettbewerbsfähigkeit« als Preis für die Abkehr von der rigiden Sparpolitik akzeptiert werden. Die deutsche Regierung zu einer Änderung ihrer Politik zu zwingen, wäre dennoch ein erster Erfolg, der letztlich auf den Protesten und der Verweigerung großer Teile der griechischen Bevölkerung beruhen würde.