»Wie eine Schokosahnetorte«

Auch in diesem Jahr vergibt die Organisation »Foodwatch« den »Goldenen Windbeutel«, einen Preis für die frechste Werbelüge in der Lebensmittel­industrie. Bis zum 18. Juni können Verbraucher noch über vermeintlich alkoholfreies Bier, stark gezuckerte Tees für Kleinkinder und mit Wasser ­gestrecktes Hackfleisch abstimmen, das als fettarm verkauft wird. Martin Rücker von »Foodwatch« spricht über die Arbeit seines Vereins.

Wie reagieren Lebensmittelunternehmen auf Ihre Kampagnen?
Der »Goldene Windbeutel« ist der Höhepunkt unserer Kampagne »abgespeist.de«. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Es gibt Hersteller, die schnell ihre Werbung an das Produkt oder das Produkt an die Werbung anpassen. Es gibt Unternehmen, die Produkte aus dem Sortiment nehmen.
Gibt es auch unbeirrbare Firmen?
Es gibt welche, die mit mehr oder weniger nachvollziehbaren Argumenten verteidigen, was sie tun, und nichts ändern.
Sie werden nicht mit einer Klagewelle überzogen?
Nein, wir veröffentlichen zum einen lediglich die Anzahl der Stimmen, die für den »Goldenen Windbeutel« abgegeben werden. Zum anderen stimmen unsere Behauptungen. Sie können sich vorstellen, dass die Unternehmen, die wir kritisieren, Interesse daran haben, Fehler bei uns zu finden. Nehmen wir unseren Gewinner vom letzten Jahr, die »Milchschnitte« von Ferrero. Wir haben sie kritisiert, weil sie als leichte, sportliche Zwischenmahlzeit beworben wurde, tatsächlich aber einen Nährwert hat wie eine Schokosahnetorte. Diese Behauptung stimmt, da gab es keinen Ansatz für eine Klage.
Können Sie Rückschlüsse auf die Wirkung Ihrer Arbeit auf das Kaufverhalten ziehen?
Wie viele Menschen wir erreichen, sieht man an den E-Mailaktionen, die wir auf »abgespeist.de« zu jedem Produkt schalten. Verbraucher können sich direkt bei den Herstellern beschweren, im Durchschnitt machen das über 10 000 Menschen je Produkt. Unser Ziel ist es, eine öffentliche Debatte anzustoßen. Wir wollen Bewusstsein dafür schaffen, dass es keine Einzelfälle sind, in denen das Produkt nicht hält, was die Werbung verspricht, sondern dass dies bei Lebensmitteln systematisch geschieht.
Welches Produkt ist in diesem Jahr Ihr persönlicher Favorit für den »Goldenen Windbeutel«?
Die Wahl ist schwer, ich kann mich nicht festlegen. Den Preis hätten alle Produkte verdient. Aber es kann nur einen Sieger geben.