Highschool-Rock’n’Roll

Berlin Beatet Bestes. Folge 149. Sounds Inc.: Leichte-Kavallerie-Twist (1964).

Um manche Schallplatten zu erwerben, muss man als Plattenliebhaber nicht mal einen Plattenladen betreten. Dies ist die einzige Rock’n’Roll Single, die in meiner nicht gerade rock’n’rol­ligen Familie sozusagen zum Familienbesitz gehört. Geschenkt hat sie mir meine Tante, als ich 14 Jahre alt war, auf der Höhe meiner damaligen Begeisterung für Rock’n’Roll. Wie die Platte ihren Weg zu meiner Tante fand, erfuhr ich erst Jahrzehnte später. Mein Onkel, der in unserer Familie als Spaßvogel gilt, hatte sie ihr als Teenager geschenkt, weil sie so gern die »Leichte Kavallerie« von Franz von Suppé hörte. Der Witz lag darin, dass der »Leichte-Kavallerie-Twist« der Sounds Incorporated im Jahre 1964 so weit von den leichten klassischen Klängen eines Sinfonieorchesters entfernt war, wie man sich das nur vorstellen konnte. In einem Affenzahn wurde hier das Hauptmotiv dieses Operettenhits aus dem Jahr 1866 fast 100 Jahre später als Twist gespielt. Mit gleich drei Saxophonen hatte die reine Instrumentalband aus dem englischen Kent auch ordentlich Wumms. Als regelmäßige Gäste im Hamburger Star Club begleiteten sie unter anderem Little Richard und den Helden meiner Rockabillyzeit, Gene Vincent. Man muss den Sounds Inc. allerdings zugute halten, dass sie so pfiffig waren, sich überhaupt dieser klassischen Themen anzunehmen. Auf der A-Seite covern sie ebenfalls in einem Höllentempo die »Wilhem-Tell-Ouvertüre« von Gioachino Rossini. Auch Stanley Kubrick hat das Stück später in »A Clockwork Orange« eingesetzt. Nachdem Alex zwei Mädchen in einem Plattenladen aufgegabelt hat, sieht man, wie die Drei sich in Alex’ Schlafzimmer im gallopierenden Zeitraffer zu der Melodie immer wieder an- und ausziehen, bis sie zu einem Knäuel von Körpern werden. Beispiele für zeitgenössische Versuche, den Klassiker von Rossini zu bearbeiten, habe ich gleich mehrere gefunden. Bezeichnenderweise zuerst von der Metal-Band Helix. Natürlich gefällt es den fingerfertigen Metallern, sich an ultraschnellen Gitarrensoli des Themas zu beweisen. Auch die Ventures, Miterfinder des twangigen Gitarrenrocksounds, haben sich in ihrem Spätwerk daran gewagt. DJ Fahrvergnügen hat dagegen nur ein paar Beats unter eine Orchesterversion gelegt.
Gelegentlich werde ich von Besuchern gefragt, welche denn meine teuerste und wertvollste Platte ist. Immer antworte ich dann, dass ich meine Platten nicht wegen des Werts und der Seltenheit sammele, sondern nach meinem seltsamen Geschmack. Bei mir ist es eher die Menge, die den Wert der Sammlung ausmacht. Einzelne Platten können zufällig schon 50 bis 100 Euro wert sein, die große Masse liegt eher bei ein bis zehn Euro. Die Single der Sounds Incorporated ist die erste Star-Club-Single. Je nach Zustand geht sie bei Ebay immer zwischen für 25 und 50 Euro weg. Mein Exemplar ist in einem sehr guten Zustand.