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Es ist immer wieder schön, wenn man aus berufenem Munde etwas über die Tätigkeit vernimmt, mit der man seine Brötchen verdient. Dann kann man lernen, was man so den lieben langen Tag alles falsch macht. Und wenn es das deutsche Staatsoberhaupt ist, das sich dazu äußert, dann fasst man sich sturzbetroffen an die eigene Nase und nimmt sich vor, in Zukunft die guten Tipps ganz sicher zu beherzigen. Das Oberhaupt erklärte nämlich im Interview der Zeit: »Und dann gibt es zwei Sorten von kritischem Journalismus, die ich nicht mag. Der eine ist einfach nur zynisch, und der andere folgt einem sportlichen Ehrgeiz: Ich will der Gewinner sein.«
Es ist zwar schade, dass der zynische kritische Journalismus nicht weiter erläutert wird, denn das wäre auch für die Redaktion Ihrer Lieblingszeitung von höchstem Interesse, schließlich gibt es hier einige, die denken, gegenüber dem deutschen obrigkeitshörigen Kuscheljournalismus und gegenüber Verhältnissen, die jeder Vernunft spotten, sei eine gute Dosis Zynismus gerade das richtige Gegengift. Aber zumindest gibt es über die Protagonistinnen und Protagonisten jenes anderen »kritischen Journalismus«, der dem »sportlichen Ehrgeiz« folgt, eine Auskunft: »Ich will derjenige sein, der dank eines Mediums über Macht verfügt, der erhöhen und erniedrigen kann.« Jesus, wie meinen? Ach so: »Ich will der sein, der das Wild erlegt.«
Jagen hat bekanntlich mit Töten zu tun, weswegen hierzulande in den einschlägigen Kreisen, die sich, kaum werden sie bei ihren Dummheiten ertappt, als Opfer einer medialen Hetzjagd wähnen, das Gejammer über den medialen Totschlag, den noch jeder überlebt hat, zum guten Ton gehört. Und man sieht ja, wohin ein solcher Journalismus in Ländern, in denen er existiert, führt: zu vermeidbaren Kollateralschäden wie der »Erlegung« eines Präsidenten in der Watergate-Affäre etwa. Besser ist es für das Staatspersonal, wenn kein solcher Journalismus existiert, der beispielsweise Jürgen Möllemann »erlegt«, also seine Vita recherchiert und ein kritisches Buch darüber verfasst hätte. Antisemitismus? Waffengeschäfte im arabischen Raum? Steuerhinterziehung? Dafür interessiert sich doch kein Mensch bzw. kein deutscher Journalismus. Der präsentiert einen stattdessen überaus vorteilhaft auf der Titelseite, mit rhetorischer Frage und Antwort in schwarzen, roten und goldenen Lettern: »Kann man auf Deutschland stolz sein? ›Ja, das ist jetzt möglich‹«.