Was ist aus der Clown Army geworden? 

Mach’ dich nicht zum Clown

Früher erregte die Clown Army bei Demonstrationen Aufsehen. In Zeiten der ­Krise hat die Begeisterung nachgelassen.

Coulrophobie ist die pathologische Angst vor Clowns und eine der zehn am häufigsten auftretenden spezifischen Phobien. Prominente Coul­rophobe sind der Schauspieler Johnny Depp, »Harry Potter«-Star Daniel Radcliffe und Rapper P. Diddy. Die Organisatoren des Bestival, eines der größten Musikfestivals Englands, scheiterten 2006 an ihren coulrophoben Besuchern, als sie die Devise ausgaben, dass alle Besucher als Clowns verkleidet kommen mögen. Da zahlreiche Käufer damit drohten, ihr Ticket zurückzugeben, gaben die Veranstalter nach: Die Clownsparty wurde kurzerhand abgesagt. Auch wissenschaftlich wurde das Phänomen vor wenigen Jahren aufgearbeitet. Die Universität im englischen Sheffield befragte Kinder über ihre Empfindung beim Anblick eines Clowns. Keiner der 250 Befragten im Alter zwischen vier und 16 Jahren gab an, Clownsbilder lustig zu finden. Viele äußerten dagegen, sich beim Anblick zu fürchten. Etwa gleichzeitig suchten in Deutschland echte Clowns das Scheinwerferlicht der Weltpolitik.
Bekleidet mit einem Kostüm, bewaffnet mit bunten Wasserpistolen und einer »gewaltigen Portion Humor«, bekämpfte die Clandestine Insurgent Rebel Clown Army (CIRCA) die »humorfreie Zone der ausführenden Gewalt« beim G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm. Einem breiten Publikum bekannt wurde sie, als Anhänger der Clown Army von den Behörden beschuldigt wurden, Polizeibeamte mit Säure bespritzt zu haben. Die Bild-Zeitung berichtete: »Diese Clowns sehen zwar lustig aus, aber sie sind es nicht. Unter roten Nasen, Perücken und Zirkusschminke verbirgt sich die organisierte Bosheit.« Seit Jahren wird die Clown Army in Verfassungsschutzberichten in einem Atemzug mit dem Schwarzen Block genannt, da sie mit »durchaus ernsten Absichten hinter den geschminkten Gesichtern« agiere.

Noch im März dieses Jahres gab es ein Basic Rebel Clown Training in Wien. Das Wochenendprogramm klang wie ein Verschnitt aus einem Selbstmanagement-Seminar und einem Aktionstraining von Antifagruppen. Neben der Suche nach dem »inneren Clown« durch Improvisationsübungen gab es den Grundkurs zu politischem Aktivismus sowie das Einüben von Marschformationen und Befehlen. Schließlich erprobte die frisch ausgebildete Gruppe ihre Fähigkeiten im Alltag.
Wie man sich so etwas vorzustellen hat, demonstrierte eine Kompanie zum Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2009 in Nürnberg in einer Fili­ale der Deutschen Bank. Ihre Mission: dem Geldinstitut für einen Tag bei seinen »schmutzigen Geschäften« zu assistieren. Dazu hatten die Clowns sogar eigenes Wertpapier im Gepäck – Klopapier, um die schmutzigen Geschäfte der Banker hygienischer zu gestalten. »Clowns tollen in der Halle herum wie Spekulanten an der Börse, nur viel lieber zueinander. Halbaufgewickelte Klopapierrollen fliegen durch die Luft und verheddern sich zu einem Wirrwarr, das den Finanzströmen gleicht. Wie Banken ihre Kunden, so ziehen auch die Clowns einander gegenseitig über den Tisch«, beschrieben sie ihren Besuch bei der Deutschen Bank auf Indymedia. Das Verfallsdatum der Bewegung schien endgültig überschritten.

Das Mittel der Karikatur von Machtverhältnissen war bei Sicherheitskonferenzen oder Bundeswehrvereidigungen vielleicht nachvollziehbar, in Zeiten der Krise scheint es nicht mehr aufzugehen. Die Methode, realabstrakte ökonomische Verhältnisse zu spiegeln, kann auch bei den Clowns ohne Personalisierung und konkrete Schuldzuweisungen nicht funktionieren, wie ihr Reden vom »Krieg des Geldes gegen das Leben« offenbart.
Hier und da tauchen sie noch bei Demonstrationen auf, aber auch bei den sozialen Bewegungen stoßen die Clowns nicht unbedingt auf Begeisterung. Vielfach wurde kritisiert, dass die Konzentration der Medien auf die Auftritte der Clown Army bei Demonstrationen deren eigent­liche Botschaft zweitranging erscheinen ließe. Die provokative Inhaltsleere und die Infantilität wirke bei der Bekräftigung des Protests oft kontraproduktiv. Ob die Clowns noch einmal ein Mittel gegen die szeneinterne Coulrophobie finden, kann man bezweifeln.