Charles Taylor vom UN-Tribunal verurteilt

Vom Palast in den Knast

Der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor wurde vom UN-Sonder­tribunal für Sierra Leone verurteilt.

Er sei »verantwortlich für einige der abscheulichsten und brutalsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte«, urteilten die Richterinnen und Richter über Charles Taylor. Am Mittwoch voriger Woche verurteilte das UN-Sondertribunal für Sierra Leone den ehemaligen Kriegsherrn zu 50 Jahren Haft. Das Gericht in Den Haag hatte den 64jährigen Ende April in elf Anklagepunkten für schuldig befunden, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit. Er soll in ein britisches Hochsicherheitsgefängnis überstellt werden. Experten erwarten, dass Taylors Anwälte in Berufung gehen, um ihn so lange wie möglich in Den Haag zu halten.
An die Richter in Den Haag hatte der ehemalige Präsident Liberias appelliert, sie mögen das Strafmaß »nicht aus Rache, sondern Versöhnung fällen«. Die 80 Jahre Haftstrafe, die die Anklage ursprünglich gefordert hatte, bezeichnete Taylors Anwalt Courtenay Griffiths als »übertrieben und nicht gerechtfertigt«. Taylor sagte, er bedauere die Opfer des Bürgerkriegs, Schuld träfe ihn aber keine, denn die Verbrechen seien nötig gewesen, um die Region zu stabilisieren. Taylor ist das erste ehemalige Staatsoberhaupt, das durch ein internationales Gericht verurteilt wurde, seit den Nürnberger Prozessen zwischen 1945 und 1949.

Im Bürgerkrieg in Sierra Leone von 1991 bis 2001, der 120 000 Menschenleben forderte, unterstützte Taylor die Revolutionäre Vereinigte Front (RUF), die die Regierung des Landes stürzen wollte. Taylor versorgte die Paramilitärs mit Maschinengewehren und erhielt im Gegenzug von Sklaven der RUF geförderte »Blutdiamanten«.
In Sierra Leone feierten die Menschen die Verurteilung Taylors. Nach der ersten Euphorie fragen sich die meisten aber, inwiefern die Witwen und Invaliden entschädigt werden können. Die Wirtschaft wurde durch den Krieg ruiniert und befindet sich im Wiederaufbau. Viele hätten Taylor aber lieber vor einem lokalen als vor einem internationalen Gerichtshof gesehen. Mohamed Kaindaneh-Conteh von einer lokalen NGO sagt zur Jungle World: »Sie sind froh darüber, dass die Gerechtigkeit gesiegt hat. Nicht aber über das Strafmaß und darüber, wie der Prozess geführt wurde.«

In Liberia blieben die befürchteten Unruhen aus. »Die Leute sind zur Erkenntnis gelangt, dass Taylor für lange Zeit ins Gefängnis muss und ein Aufstand daran nichts ändern wird«, so der liberianische Journalist Carlton Boah in der Hauptstadt Monrovia. Vielmehr frustriert es die Menschen, dass Sierra Leone schafft, wovon Liberia noch weit entfernt ist: Die Aufklärung und Verurteilung von Kriegsverbrechen. Der Bürgerkrieg in Liberia von 1989 bis 2003 forderte mindestens doppelt so viele Leben wie der Krieg in Sierra Leone. 2005 gründete die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf zwar eine Versöhnungs- und Wahrheitskommission, doch diese sprach in sieben Jahren bloß Empfehlungen gegen wenige Einzelne aus, die kein offizielles Amt mehr erhalten sollten. Oppositionelle werfen Johnson-Sirleaf vor, nicht effektiv genug gegen Kriegsverbrecher vorzugehen.
Um die während der Bürgerkriege begangenen Verbrechen aufzuklären, rief die Uno 2002 den Sondergerichtshof für Sierra Leone ins Leben. Kritiker bemängeln, dass die Anklägerinnen und Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) sich bei ihrer Arbeit zu sehr auf Afrika konzentrieren. Sieben der insgesamt 14 Staaten, in denen die UN-Institution ermittelt, liegen in Afrika. (Jungle World 12/12) Die Afrikanische Union wendet sich offen gegen den IStGH. Die meisten afrikanischen Länder unterzeichneten zwar das Rom-Statut, die vertragliche Grundlage des IStGH, einige davon weigern sich aber immer noch, Kriegsverbrecher auszuliefern. Die DR Kongo integrierte den gesuchten Kriegsherrn Bosco Ntaganda in ihre Armee und Malawi empfing den Präsidenten Sudans, Omar al-Bashir, gegen den ein Haftbefehl vorliegt. Am 16. Juni verlässt Luis Moreno-Ocampo den Posten als Hauptankläger. Ihm folgt seine langjährige Stellvertreterin Fatou Bensouda. Viele hoffen, dass die Juristin aus Gambia auch außerhalb Afrikas nach Verdächtigen suchen wird.