Die Fußball-WM der nicht anerkannten Staaten

Phantasialand vor, noch ein Tor!

Während die von UN und Fifa anerkannten Staaten noch ihren Europameister suchen, haben die nicht anerkannten schon ihren Weltmeister ermittelt.

Wenn es um die Aufnahme von Fußballverbänden in seine Organisation geht, ist Fifa-Präsident Sepp Blatter zurückhaltender geworden. Obwohl die UN derzeit nur 194 souveräne Staaten anerkennen, zählt die Fifa bereits 209 nationale Fußballverbände zu ihren Mitgliedern. Außerhalb der Fifa existieren über 60 weitere Verbände und Auswahlmannschaften, die beanspruchen, ihre jeweilige Nation zu repräsentieren. Manche von ihnen drängen auf eine Aufnahme in den Weltfußballverband – und haben es dabei nicht leicht.
Eine davon ist die Nationalmannschaft der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Irak. Sie wird weder von der Fifa noch von einem Kontinentalverband anerkannt und kann daher an offiziellen Meisterschaften nicht teilnehmen. Stattdessen ist der Verband dem NF-Board angeschlossen, einer Föderation von Fußballmannschaften, die nicht der Fifa angehören. Seit 2006 veranstaltet sie ihre eigene, inoffizielle Weltmeisterschaft, den Viva World Cup. Vergangene Woche fand dieser zum fünften Mal statt – diesmal im kurdischen Norden des Irak. Es siegte der Gastgeber.
Immerhin 22 500 Menschen verfolgten im Franso-Hariri-Stadion in Arbil das Finale gegen die Auswahl des türkischen Nordzypern, das die Kurden mit 2:1 gewannen. Dass das kurdische Fernsehen Spiele des randständigen Fußball­events live übertrug, veranschaulicht die politische Bedeutung, die dem Auftritt der kurdischen Mannschaft beigemessen wird. Zwar handelt es sich bei dieser formell nur um die Auswahl des kurdischen Nordirak, doch sie versteht sich als sportliche Vertretung »aller Kurden«, wie es ihr Trainer Ebdul Mehmut formulierte.
Eine Nationalmannschaft zu unterhalten, ist für anerkannte Staaten Prestigesache. Für Nationen, die um ihren Platz in der »Weltgemeinschaft« noch ringen, ist die damit verbundene Symbolik ungleich wichtiger. Sie ist ein politisches Instrument in ihrem Kampf um Anerkennung. Das meinen offenbar auch ihre Gegner. Als etwa 2001 eine grönländische Auswahl gegen eine Mannschaft Tibets antrat, führte das zu heftigen Protesten seitens der chinesischen Regierung, weil man befürchtete, damit werde Tibets Autonomiestatus bekräftigt.
Ein anderes Beispiel: Palästina wurde bereits 1998 von Blatter vollwertig in die Fifa aufgenommen, obwohl es völkerrechtlich keinen Staat Palästina gibt. Nicht nur das: Manche Spieler der palästinensischen Auswahl sind formell israelische Staatsbürger, was eigentlich im Widerspruch zu den Regeln der Fifa steht. Bisher sah man darüber hinweg, auch weil Israel keinen Protest einlegte. Und so kann man die Hymne der Palästinenser regelmäßig bei Länderspielen in der Westbank hören. »Palästina ist meine Rache und das Land des Widerstands«, röhrt es dann aus Tausenden Kehlen. Als Mahmoud Abbas im vergangenen Jahr die UN-Mitgliedschaft Palästinas beantragte, verwies man nicht zufällig darauf, als Fußballnation bereits anerkannt zu sein.
Auf ihre Anerkennung als Fußballnation warten jedoch die Kurden und Nordzyprer ebenso wie der Kosovo oder Grönland. Grönland ist eine autonome Region Dänemarks, die seit 1971 einen eigenen Fußballverband hat und denselben Status erlangen möchte wie die 1988 in die Fifa aufgenommen Färöer Inseln. Zunächst hieß es, Grönland habe keinen geeigneten Naturrasen zu bieten. Seit 2006 ist jedoch auch Kunstrasen bei internationalen Wettbewerbsspielen zulässig. Über einen solchen verfügt Grönland seit 2010. Inzwischen argumentiert die Fifa wenig überzeugend, die Voraussetzung für eine Aufnahme sei die Existenz eines souveränen Staats und dessen Anerkennung durch die UN. Es wird wohl noch etwas dauern, bis die Grönländer genauso furios die internationale Bühne betreten können wie einst die Färinger, die in ihrem ersten EM-Qualifikationsspiel 1990 Österreich die peinlichste Niederlage seiner Fußballgeschichte bescherten.
So bleibt Grönland nur die Mitgliedschaft im 2003 gegründeten NF-Board, das höchst illustere Mannschaften vereint. Neben den Verbänden Irakisch-Kurdistans, Nordzyperns und Tibets finden sich dort auch Mannschaften von Rebellenstaaten in spe wie den Tamilen oder Sahauris. Hinzu gesellen sich Auswahlmannschaften von Minderheiten, etwa der Samen oder Roma, ebenso wie Regionalmannschaften aus Okzitanien (Südfrankreich) oder Gozo (die nordwestliche Insel Maltas). Dubiose Mikronationen wie Sealand oder die Republik Saugeais sind auch mit von der Partie. Selbst ein »Süd-Niedersächsischer Fußballbund« findet sich im Mitgliederverzeichnis auf der schlecht gepflegten Homepage des NF-Board. Dahinter verbergen sich Göttinger Fußballfans, die es offenbar belustigend fanden, eine eigene »Nationalmannschaft« anzumelden.
Es mag an solchen Mitgliedern liegen, dass das NF-Board, das die Zusammenarbeit mit der Fifa sucht, nicht ganz ernst genommen wird. Bereits 2010 stieg der Fußballverband Monacos aus dem Treiben aus. Andere Verbände, die man eigentlich in der Föderation vermuten würde – etwa der Katalanen oder Basken –, sind der Föderation bislang fern geblieben. Die Teilnehmerzahlen beim Viva World Cup waren bisher auch bescheiden. Erst in diesem Jahr konnte man erstmals neun Mannschaften auf den Platz bringen – darunter eine weitere Pseudonation namens Rätien (Graubünden).
Gern dabeigewesen wäre diesmal wieder der Viva-Rekordweltmeister Padanien. Schon drei Mal konnte die Auswahl, die vorgibt, Norditalien zu repräsentieren, den Titel gewinnen. Der padanische Fußballverband ist eng verbunden mit der rechtspopulistischen Partei Lega Nord. Geleitet wurde er bis vor kurzem von Renzo Bossi, dem Sohn von Umberto Bossi, der im April in Zuge eines Korruptionsskandals als Parteivorsitzender zurücktrat. Auch Renzo Bossi legte seine Ämter nieder und Padanien sagte seine Teilnahme an der Meisterschaft ab. Die Mitgliedschaft der Auswahl, die derzeit das Non-Fifa-Ranking anführt, steht in der illusteren Runde von Separatisten, Befreiungsbewegungen, Autonomisten und Minderheiten jedoch nicht zur Disposition.
In Deutschland hat neben den Süd-Niedersachsen, die ohnehin nur auf dem Blatt existieren, bisher niemand versucht, eine weitere »Nationalmannschaft« in Stellung zu bringen. Lediglich die »Republik St. Pauli« nahm 2006 beim nicht ganz ernst gemeinten »Fifi Wild Cup« teil, der im Vorfeld der Weltmeisterschaft am Hamburger Millerntor ausgetragen wurde. An dem Turnier, das als Spaß- und Kommerz­event kritisiert wurde, nahmen auch verschiedene Mitglieder des NF-Boards teil. Als Sieger ging letztlich Nordzypern vom Platz.
Seitdem scheinen Alternativturniere, die vermeintlich vergessenen Gemeinschaften einen Platz bieten wollen, in Mode gekommen zu sein. So fand im schweizerischen Graubünden gleichzeitig mit der Europameisterschaft 2008 erstmals auch eine Meisterschaft der sprachlichen Minderheiten in Europa statt. Die von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen organisierte Veranstaltung soll offenbar zur Institution werden: Am Samstag beginnt die nächste »Europeada«, wie das Event genannt wird. Gastgeber des Turniers, das unter anderem vom Freistaat Sachsen unterstützt wird, ist diesmal die sorbische Minderheit in der Lausitz. Begrüßen darf sie vor allem deutschsprachige Minderheiten – aus Polen, Russland, Dänemark, Südtirol und Ungarn. Vielleicht nutzt man das Treffen ja, um die Anmeldung einer großdeutschen Mannschaft beim NF-Board vorzubereiten. Die Föderation zumindest scheint für alles offen zu sein.