Antisemitismus in der Berlin-Liga

Hass im Spiel

Trotz Punktabzugs wegen antisemitischer Beleidigungen ist der Fußballverein BSV Hürtürkel in die Berlin-Liga aufgestiegen.

Der Lilli-Henoch-Sportplatz befindet sich im Berliner Bezirk Kreuzberg. Das kleine Stadion ist nach einer jüdischen Leichtathletin benannt, die zehn Mal Deutsche Meisterin und vierfache Weltrekordlerin wurde, ehe die Nazis sie aus dem öffentlichen Leben verbannten und 1942 ermordeten. Auf dem Sportplatz trägt der Berliner Fußballclub BSV Al-Dersimspor seine Heimspiele in der 2. Staffel der siebtklassigen Landesliga aus. Vor anderthalb Wochen empfing Dersimspor zum Saisonabschluss den Neuköllner Club BSV Hürtürkel.
Der hatte eigentlich schon in der Vorwoche mit einem Sieg den Aufstieg in die Berlin-Liga geschafft. Doch zuvor hatte der Berliner Fußball-Verband (BFV) Hürtürkel drei Punkte abgezogen. Das Sportgericht des BFV sah es als erwiesen an, dass Spieler und Trainer des Neuköllner Vereins im März beim Punktspiel gegen TuS Makkabi Mitglieder des jüdischen Vereins antisemitisch und rassistisch beleidigt hatten. Auf der Website des TuS hieß es, »unsere Spieler und Offiziellen, sowie unsere Trainer« wurden »permanent sowohl von Zuschauern, als auch seitens der Bank der Gastgeber beschimpft und beleidigt«. Der Verein fragte: »Kann und darf eine solche durch blanken Hass geprägte Atmosphäre der Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen folgenlos bleiben?« Durfte sie nicht.

Inzwischen untersuche man bereits vor den Spielen, wo es Risikofaktoren gebe, und gehe auch Hinweisen aus den Vereinen nach, sagt Kevin Langner, der Pressesprecher des BFV, der Jungle World. Deswegen habe man die Partie im März auch durch eigene Beobachter überwachen lassen. Sie bestätigten im Gerichtsverfahren die Berichte der Mitglieder von Makkabi. Demnach wurden TuS-Spieler als »Scheiß-Nigger« beschimpft, einem Makkabi-Mitglied wurde gesagt: »Du stinkst schon wie ein Jude.« Hürtürkel-Trainer Vedat Beyazit soll, als sein Team den Siegtreffer erzielte, den Ersatzspielern von Makkabi auf Türkisch zugerufen haben: »Jetzt haben wir euch Juden gefickt!« Deswegen kam nun erstmals der vom BFV auf seinem Verbandstag 2010 beschlossene Paragraph 46, der »Diskriminierung und ähnliche Tatbestände« sanktioniert, in einer so hohen Spielklasse zur Anwendung. Darin heißt es: »Verhalten sich Spieler, Offizielle oder Zuschauer in irgendeiner Form rassistisch oder menschenverachtend«, werden »der betreffenden Mannschaft, sofern zuordenbar, beim ersten drei und beim zweiten Versuch sechs Punkte abgezogen.« Neben dem Abzug von drei Punkten wurde Hürtürkels Spieler Gzim Jahdauti für ein halbes Jahr und Trainer Vedat Beyazit für elf Monate gesperrt.

Auch wenn einige Beobachter diese Strafen für zu milde halten, zeigt der Vorgang, dass der BFV dazugelernt hat. Noch 2006 kam es bei ähnlichen Vorfällen beim Gastspiel des TuS Makkabi bei der VSG Altglienicke zu einer erstaunlichen Reaktion. Als ein Makkabi-Spieler den Schiedsrichter um Hilfe bat, stellte dieser ihn vom Platz. Der damalige TuS-Vorsitzende Tuvia Schlesinger warf dem Verband daraufhin Passivität vor. Weniger einsichtig als der BFV damals zeigen sich derzeit die Vertreter des BSV Hürtürkel. Schon am Freitag vor dem Gastspiel bei Dersimspor hatte der Club gegen das Sportgerichtsurteil Berufung eingelegt. Am Tag nach der Partie trat der Vorsitzende von Hürtürkel, Orhan Akcay, aus Protest gegen das »skandalöse Urteil« von seinem Amt zurück.
»Hürtürkel sagt Nein zu Rassismus«, hieß es auf T-Shirts, die Mitglieder am Spieltag trugen. »Wir sind ein multikultureller Verein, diese Anschuldigungen werfen ein schlechtes Licht auf uns«, sagte Akcay. Beides darf getrost bezweifelt werden. Insider berichten von personellen Verbindungen zwischen Hürtürkel und den nationalistisch-rassistischen »Grauen Wölfen«, die für ihren Hass auf Kurden und Juden bekannt sind. Deren Symbol soll jahrelang in der Hürtürkel-Geschäftsstelle gehangen haben. Nun machten die Spieler des Clubs mit einem 1:1 bei Dersimspor trotz des Punktabzugs den Aufstieg perfekt. Und treffen nächste Saison erneut auf den TuS Makkabi, der ebenfalls aufgestiegen ist.