Schlecht betreut

Eigentlich sollte am Freitag voriger Woche im Bundestag über das Betreuungsgeld abgestimmt werden. Der Freitag ist naturgemäß ein ganz schlechter Tag für die Arbeitsdisziplin, weiß man beim Spiegel. Schließlich ist gefühlt schon fast Samstag, beinahe schon Sonntag, zumindest aber irgendwie Wochenende: »Viele Bundestagsabgeordnete sind auf dem Weg in die Heimat, mit dem Auto, der Bahn, dem Flugzeug.« Als gewöhnlicher Arbeitnehmer findet man es selbstverständlich erfreulich, dass der Bundestag nun die Rolle des Vorreiters zur Einführung der Vier-Tage-Woche übernommen hat. Nach einem Blick in die spärlich gefüllten Reihen wurden die anwesenden Abgeordneten von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau zum sogenannten Hammelsprung verdonnert, um festzustellen, ob man überhaupt beschlussfähig sei. Nachdem feststand, dass weniger als die Hälfte der Abgeordneten, nämlich nur 211 statt der erforderlichen 311, am Freitag den Weg zur Arbeit gefunden hatte, wurde endlich der Feierabend eingeläutet und die Entscheidung über das Betreuungsgeld bis nach der Sommerpause vertagt. Vertreter der schwarz-gelben Koalition reagierten empört. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einer »Arbeitsverweigerung der Opposition«, sein Kollege von der CSU, Alexander Dobrindt, echauffierte sich über einen »miesen Trick« und bei der FDP sagte man, das Verhalten der Opposition komme einem Parlamentsboykott gleich. Ihnen war wohl entgangen, dass auch zahlreiche Politiker aus den eigenen Reihen die Parlamentssitzung geschwänzt hatten. Sogar Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) eilte erst ins Parlament, als sie vom Hammelsprung erfahren hatte. Das war ein »Eigentor der Koalition«, stellte die Taz fest. Zumindest Horst Seehofer (CSU) scheint besser rechnen zu können als seine Kollegen. Nachdem klar war, dass die Regierung für das Betreuungsgeld nicht einmal eine eigene Mehrheit im Bundestag zustande brachte, drohte er mit einem Bruch der Koalition.