Über deutsche Eliteuniversitäten

Vom Geist zum Geld

Im Wettbewerb der Hochschulen um die Auszeichnung als Eliteuniversität spielt die Qualität der Lehre keine Rolle. Nun wurden die Gewinner und Verlierer bekanntgegeben.

Viel besser hätte Axel Freimuth die Anstrengungen, die hinter der Universität Köln lagen, kaum darstellen können. Abgekämpft und schweißnass, aber überglücklich trat der Rektor vergangenen Freitag vor die Presse, um den neu errungenen Elite-Status seiner Hochschule zu feiern. Neben den Universitäten Bremen und Tübingen, der TU Dresden sowie der Berliner Humboldt-Universität gehörte auch die Kölner Universität zu den Gewinnern der letzten Förderrunde der sogenannten Exzellenzinitiative von Deutscher Forschungsgesellschaft (DFG) und Wissenschaftsrat. »Für Köln ist das eine Bestätigung der Reform­anstrengungen der letzten zehn Jahre. Und es wird die Reputation der Universität Köln und ihre Sichtbarkeit deutlich verbessern«, freute sich Rektor Freimuth nach Bekanntgabe der Ergebnisse.

Im Jahr 2005 beschlossen Bund und Länder unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), mit dem Geld aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen »den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken«. Geplant waren hierfür zwei Förderrunden bis zum Jahr 2007 mit einem Gesamtbudget von 1,9 Milliarden Euro. Von DFG und Wissenschaftsrat als Wettbewerb thematisch geschlossener Forschungskonzepte konzipiert, konnten sich die Hochschulen für insgesamt drei Förderlinien bewerben: Graduiertenschule und Exzellenzcluster bildeten zwei Optionen. Und wer in beiden Erfolg hatte, konnte über ein Zukunftskonzept das Prädikat der Exzellenz- oder Eliteuniversität erlangen. Im Juni 2009 beschlossen Bund und Länder, die Initiative bis ins Jahr 2017 fortzusetzen. Das Gesamtvolumen der zweiten Exzellenzinitiative beträgt 2,4 Milliarden Euro.
Wie alle Wettbewerbe produziert auch die Exzellenzinitiative neben wenigen strahlenden Gewinnern eine Menge Verlierer. Besonders bitter traf es in dieser Runde die Universitäten Freiburg und Göttingen sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die ihren Elite-Status verloren. Die Degradierung des KIT kam überraschend, galt es doch als zukunftsweisendes Musterbeispiel für die Verbindung von Hochschule und außeruniversitärer Helmholtz-Gemeinschaft. Keine Überraschungen hingegen gab es in der universitären Spitzengruppe. Die beiden Münchner Universitäten, die RWTH Aachen, die Freie Universität Berlin und die Universitäten Heidelberg und Konstanz konnten ihren erstklassigen Rang behaupten. Damit bleibt, trotz leichter regionaler Verschiebungen, eigentlich alles beim Alten: Die Verteilung der Spitzenuniversitäten entspricht dem Wohlstandsgefälle der Bundesrepublik. Die meisten finden sich im Süden, einige im Westen und – von Berlin abgesehen – nur noch je eine in Nord- beziehungsweise Ostdeutschland.
Anders als vielleicht zu erwarten, spielt die Qualität der Lehre in keinem der Vergabeverfahren eine Rolle und dies war auch zu keinem Zeitpunkt des Wettbewerbs vorgesehen, geht es doch primär darum, »die internationale Sichtbarkeit der Leuchttürme der Wissenschaft« zu stärken. Dennoch glaubt Freimuth an positive Auswirkungen der Initiative zumindest für die Kölner Studierenden: »Man sollte nicht vergessen, dass eine Universität nicht in einen Lehranteil und einen Forschungsanteil aufgeteilt ist. Nach wie vor versuchen wir, in der Lehre die aktuelle Forschung zu repräsentieren.« Gemessen an den von Ernst-Ludwig Winnacker im Juni 2006 skizzierten Zielen der Exzellenzinitiative wirkt Freimuths Äußerung wenig realistisch. In seiner Abschiedsrede als Präsident der DFG legte Winnacker die gewünschten Effekte des kurz zuvor ausgelobten Wettbewerbs dar. Die schon damals großen Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Universitäten würden durch die Initiative nicht nur weiter wachsen, sondern auch öffentlich benannt. »Neben reinen Forschungsuniversitäten«, so der Forschungsmanager, »wird es solche geben, die dies nur ansatzweise und in einzelnen Fächern versuchen, solche, die diesen Anspruch erst gar nicht anstreben, und solche, die ihre Stärke eher in der Praxisorientierung suchen.«

Perfide daran ist, dass die Initiative die vorgeblich von ihr lediglich gemessenen Unterschiede selbst produziert. Der Darmstädter Elitensoziologe Michael Hartmann hat die Auszahlung der Fördermittel aus der ersten Runde der Exzellenzinitiative analysiert. Im Jahr 2008 erhielten die Hochschulen insgesamt 4,85 Milliarden Euro an Drittmitteln. 60 Prozent dieser Mittel konzentrierten sich dabei auf knapp 20 der fast 100 deutschen Universitäten. 70 Prozent der Gelder der Exzellenzinitiative gehen an eben diese 20 Hochschulen. Ein Konzentrationseffekt, der an der Spitze noch weiter zunimmt. Die vier Top-Universitäten, die RWTH Aachen, die Universität Heidelberg und die beiden Münchner Hochschulen, erhielten ein Drittel der Fördermittel aus der Initiative und wurden selbstredend alle zu Eliteuniversitäten geadelt.
Dem Argument, dass dieses Geld möglicherweise an anderer Stelle fehle, halten die Befürworter der Exzellenzinitiative entgegen, dass lediglich »Spitzenleistungen« gefördert würden, der Normalbetrieb jedoch unbeeinträchtigt weiterlaufe. Doch die Mittelverteilung des Hochschulbudgets erfolgt in den meisten Bundesländern immer stärker nach Leistungskriterien. Neben der Anzahl an Absolventinnen und Absolventen sowie der Promotionen ist die Menge an eingeworbenen Drittmitteln ein zentrales Kriterium. In Nordrhein-Westfalen werden auf diese Weise 20 Prozent des Budgets vergeben, in Hessen sind es 22 Prozent, in Berlin sogar zwei Drittel des Budgets. »Wer viele Drittmittel einwirbt, und da gehören die Exzellenzmittel dazu, bekommt einen größeren Anteil an den Landesmitteln. Diejenigen, die bei der Exzellenzinitiative nichts gekriegt haben, verlieren auf der Landesebene reales Geld«, sagt Hartmann im Gespräch mit der Jungle World. Dass die Verluste auf der einen Seite durch den Gewinn der Anderen aufgewogen würden, glaubt Hartmann nicht. Da helfe es auch nicht, anstatt von Hierarchisierung von »Diversität« zu sprechen und »internationale Sichtbarkeit« oder »Exzellenz« zu fordern, wo man Elite meine.

Durch die Exzellenzinitiative werden einzelne Universitäten zu Marken mit größtmöglicher Reputation aufgebaut, meint auch der Bamberger Soziologe Richard Münch. Besser als durch eine breit angelegte Förderung des gesamten Hochschulsystems funktioniere dies durch die Bündelung der Fördermittel von DFG und Wissenschaftsrat. Darüber hinaus sieht Münch negative Konsequenzen auch für Forschung und Lehre. Die Exzellenzinitiative, so legte er 2011 in einer Untersuchung dar, reduziere die Anzahl der auf produktive Weise miteinander um Erkenntnisfortschritt konkurrierenden Institutionen. Für die wissenschaftliche Evolution seien aber gerade vielfältige Ansätze und eine weite Verbreitung wissenschaftlicher Leistungsträger wichtig. Die Exzellenzstandorte beanspruchten eine monopolartige Definitionsmacht über die »wissenschaftliche Relevanz« eines Themas für sich. Unabhängig davon sei der Exzellenzwettbewerb für die Bewerber mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden, der Personal, das eigentlich für Lehre und Forschung angestellt ist, an Verwaltungsaufgaben bindet. Bisweilen ist das ein ziemlich schweißtreibender Spagat.