Bottom up

»Geselle dich zu den Erben des Paradieses« hieß es auf salafimedia.de, und: »Der Glaube fordert Opfer.« Als »Werbung für den Dschihad« hat Bundesschredder H.-P. Friedrich dies bierglasklar erkannt und die Vereine flugs verboten. Nun mögen Millatu Ibrahim und Milupa Machsiehin nicht die flauschigsten Tiere im Zoo sein und mit der Zertrümmerung beliebter Ausflugsziele in Timbuktu macht man sich beim reisefreudigen Westler auch nicht beliebt. Aber Werbung für den Dschihad? Die müsste heute anders laufen!
Etwa wie die Spots für »Axe Anarchy«, die Antwort des Kapitals auf Occupy; exakt jenes Giftzeug, mit dem einen die betrunkenen Teenies derzeit in der U-Bahn ansprühen. Durch deovernebelte Vorstädte ziehen Banden halb­ent­­­kleide­ter, vögelfreudiger Hipster; Polizeiblockaden und Behördenwarnungen vor dem als Aphrodisiakum behaupteten Stinkestopper evozieren Bilder der London Riots. Die trübe Sinnlichkeit der Spots flackert zwischen züchtig verschwitzten Neon-Miezen und den entseelten Nackerten von Dolce & Gabbana. Auch hier zeigt sich Werbung als das Unbewusste der Produktion: In den Spatzenhirnen der Reklameure ist der Protest nichts als drüsenbedingtes Remmidemmi junger Leute, die doch besser miteinander knatterten, als Schaufenster einzuwerfen. So ist es den Emotionsdesignern doch noch gelungen, aus den Müll- und Nichtbotschaften von Occupy konsumablen Zeitgeist zu destillieren: Revolution entsteht, wenn die süßen Typen mit den Wuschelhaaren nicht oft genug abgemolken werden – eine Erklärung, die ja auch für islamistische Umtriebe gern herangezogen wird (»Jungmännerüberschuss«). Für »Axe Dschihad« ist indes die Zeit noch nicht reif. Aber fröhlich flackernde Synagogen werden dann wohl zur Markenbotschaft gehören.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«