Über den Einzug von Rechtsextremen ins französische Parlament

Ganz der Opa

Drei Rechtsextremen gelang in Frankreich der Einzug ins Nationalparlament. Dass seine Enkelin dazugehört, dürfte Jean-Marie Le Pen besonders freuen.

Die erhöhte Aufmerksamkeit dürfte ihnen recht sein. Als Marion Maréchal-Le Pen und Gilbert Collard Ende Juni erstmals die Räumlichkeiten des französischen Parlaments aufsuchten, um sich auf die kommenden fünf Jahre im Plenarsaal und in ihren Abgeordnetenbüros vorzubereiten, wartete eine große Anzahl von Journalisten mit Kameras und Mikrophonen in der Eingangshalle auf die beiden. Die Presse hatte kurzzeitig vermutet, die beiden rechtsextremen Parlamentarier hätten sich durch einen Seiteneingang eingeschlichen, um dem Rummel zu entgehen. Doch schließlich standen sie vor den Kameras. Der hauptberufliche Anwalt Collard verkündete, er wolle künftig »einen ständigen demokratischen Störenfried« abgeben. Zugleich werde er auch in Zukunft in seinem Anwaltsbüro weiterarbeiten, um dadurch finanziell unabhängig zu bleiben und es sich leisten zu können, »von den Sitzungen ausgeschlossen zu werden und meine Bezüge zu verlieren«. Dies sei zu erwarten, da er »den Etablierten« unangenehm auffallen werde.

Einige Tage später stand seine Kollegin Marion Maréchal-Le Pen vorübergehend im Mittelpunkt des Interesses. Als in einer feierlichen Sitzung der Parlamentspräsident für die neue Legislaturperiode gewählt wurde – der Sozialdemokrat Claude Bartolone konnte sich durchsetzen –, durfte die junge Abgeordnete des Front National (FN) die Wahl leiten. Sie war deshalb auf allen Fotos zu sehen, die von der Sitzung gemacht wurden. Traditionell führt der oder die jüngste Abgeordnete bei der Wahl zum Präsidium den Vorsitz. Mit ihren 22 Jahren ist die Jurastudentin sogar die jüngste Parlamentarierin, die jemals in der französischen Nationalversammlung saß. Den Familienrekord hielt bislang ihr Großvater Jean-Marie Le Pen: Auch er war im Januar 1956 der jüngste Abgeordnete im französischen Parlament, wo er damals die kleinbürgerliche Protest- und Steuersenkungspartei der sogenannten Poujadisten, die UDCA, vertrat.
Insgesamt repräsentieren seit der Wahl im Juni drei Mandatsträger die französische extreme Rechte in der neuen Nationalversammlung. Maréchal-Le Pen gehört dem FN an, den ihr Großvater im Oktober 1972 gegründet und dessen Vorsitz er erst Anfang 2011 an ihre Tante Marine Le Pen abgegeben hat. Die Tochter Yann Le Pens und des früheren Vorsitzenden des Jugendverbands des FN, Samuel Maréchal, setzt somit die rechtsextreme Betätigung der Familie in dritter Generation fort. Jean-Marie Le Pen sagte dazu Anfang Juni, der Einsatz dreier Generationen in der Politik beweise, dass seine Familie »von guter Rasse« sei.

Collard ist einer der bekanntesten und kamera­freudigsten Anwälte Frankreichs. Auch er wurde als Kandidat des FN gewählt, ist aber kein Parteimitglied. Der FN dürfte in Zukunft mit seinem neuen Abgeordneten nicht nur Freude haben. Collard war im Lauf seiner Karriere bereits Trotzkist, Sozialdemokrat, Antirassist, Rechtsliberaler, Anhänger des nationalkonservativen Innenministers Charles Pasqua und später von Nicolas Sarkozy. Sein Geltungsbedürfnis dürfte seine politische Überzeugung und seine Treue zur Partei bei weitem übertreffen.
Der dritte rechtsextreme Abgeordnete ist der Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Orange, Jacques Bompard. Er ist der Vorsitzende der Regionalpartei Ligue du Sud, deren Name an den der rassistischen italienischen Regionalpartei Lega Nord angelehnt ist. Während die beiden Abgeordneten des FN jeweils mit einer relativen Mehrheit von etwa 42 Prozent der Stimmen den zweiten Wahlgang in ihren Wahlkreisen gewannen, erhielt Bompard in einer Stichwahl 58,8 Prozent der abgegeben Stimmen. Taktisch geschickt war er auf der Liste »Union der Rechten und der Mitte« angetreten.
Bompard ist kein Unbekannter. Er gehörte bis zum Herbst 2005 selbst dem Front National an, für den er zehn Jahre vorher zum Bürgermeister von Orange gewählt worden war. Er geriet jedoch innerparteilich in die Opposition. Ihn empörte, dass Jean-Marie Le Pen aus seiner Sicht zeitweilig zu viele politische Kompromisse machte. 1999 störte Bompard sich etwa an einer »Aufweichung« der Haltung zur Einwanderung. Zudem kritisierte er, dass Le Pen es wegen seines zentralistischen Führungsstils vernachlässige, die Partei lokal ausreichend zu verankern. In den vergangenen Jahren näherte sich Bompard dem außerparlamentarischen, neofaschistisch-aktionistischen Bloc identitaire an, mit dessen örtlichen Ablegern er seine Regionalpartei Ligue du Sud in Südostfrankreich aufbaute. Trotz früherer Feindseligkeiten zwischen Bompard und ihrer Partei unterstützte Marine Le Pen die Kandidatur Bompards in seinem Wahlkreis, gegen den Willen ihres Vaters.
Bompards Politik als Bürgermeister sorgte vor allem in den Anfangsjahren für Aufsehen. 1996 machte seine damalige, gerade gewählte FN-Kommunalregierung landesweit auf sich aufmerksam, indem sie etwa Bücher, die ihr eines zu »kosmopolitischen Geistes« erschienen, aus der Stadtbibliothek verbannte. Dazu zählten Kindermärchen aus Afrika, China und Haiti. Auch kürzte Bompard die Kulturförderung ganz erheblich. Dank kommunaler Steuersenkungen gewann er jedoch bei Geschäftsleuten und vielen Stadtbewohnern erhebliche Popularität.

Neben den drei gewählten Vertretern der extremen Rechten erzielten zwar auch andere Kandidaten hohe Stimmergebnisse, scheiterten jedoch am Mehrheitswahlrecht. Der 30jährige Florian Philippot, ein Kandidat des FN um einen Sitz im Parlament, scheiterte im lothringischen Forbach mit 46 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Ein FN-Kandidat im dritten Wahlkreis von Marseille erzielte 49 Prozent. Die Parteivorsitzende Marine Le Pen unterlag in der nordostfranzösischen früheren Bergbaustadt Hénin-Beaumont mit 49,9 Prozent äußerst knapp dem Sozialdemokraten Philippe Kemel, hat die Wahl jedoch gerichtlich angefochten. Besonders dort, wo es im zweiten Wahlgang zu einer Stichwahl zwischen Kandidaten des FN und Sozialdemokraten kam, erzielten erstere hohe Ergebnisse. Offenkundig ging ein erheblicher, aber in den meisten Fällen doch nicht ausreichender Anteil der konservativ-liberalen Stimmen aus dem ersten Wahlgang an die rechtsextremen Bewerber.