Greift gerne selbst zur Werkzeugskiste

Hoch die Hämmer!

Heimwerken ist der Ausbruch aus der selbstverschuldeten handwerklichen Unmündigkeit.

Zugegeben, etwas selbst zu tun, was andere für mich machen könnten, hat oft etwas mit, wie es heute gerne genannt wird, prekären Bedingungen zu tun. So mag es auch beim Heimwerken sein. Hätte ich genug Geld, würde ich nur schicke Antiquitäten, den letzten Designerschrei und überteuerte Retromöbel kaufen und deren Anordnung und Befestigung in meinem Penthouse meiner Innenarchitektin überlassen. Vielleicht aber auch nicht.
Heimwerken, falls es als Teil der guten alten DIY-Kultur (Do It Yourself) verstanden wird, kann auch bedeuten, sich etwas wieder anzueignen oder überhaupt mal anzueignen. Punkrock wird nicht nur gespielt, weil man sich den Mainstreampop nicht leisten kann, Fanzines werden nicht nur fabriziert, weil das Gala-Abo zu teuer ist, und vegane Soli-Cupcakes nicht nur gebacken, weil das Tiefkühltortenerzeugnis zu viele ge­sättigte Fettsäuren enthält. Zwar macht eine Frau mit einer Bohrmaschine in der Hand so wenig eine Revolution wie ein Mann mit einem selbstgebauten Schuhschrank, aber es könnte der Anfang eines Ausbruchs aus der selbstverschuldeten handwerklichen Unmündigkeit sein. Räume können endlich in ihrer Dreidimensionalität begriffen werden. Bücherhaufen, Kleiderberge, ­Geschirrkisten, umfallgefährdete Spiegel und unbelüftete Matratzen auf dem Boden müssen nicht mehr die Bewegungsfreiheit in bewohnten Zimmern beschneiden. Nachts muss man sich nicht mehr blind und waghalsig durch umherliegende Gegenstände bis zur Stehlampe an der Gegenseite durchkämpfen, um die eigene Umwelt zu erleuchten, weil an den Deckenkabeln immer noch keine Glühbirne befestigt ist. Den Heimwerk-Scheuen soll hier nichts Böses unterstellt werden. Vielleicht bewahren sie sich einfach ihren Glauben an menschliche Solidarität und warten, bis die nette Nachbarin mit den fünf Kindern kurz die Regale anbringen kann oder die kompetenten Handwerker spontan am Dienstag in drei Wochen zwischen sieben Uhr morgens und sechs Uhr abends vorbeikommen, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Niemand muss gleich mit der Schreinerei einer kompletten Wohnungseinrichtung beginnen. Der Weg zur Heimwerkerin oder zum Heimwerker erfolgt behutsam über verschiedene Stufen. Während dieser Entwicklung sollte stets an die kämpferische Parole von Bob, dem Baumeister, gedacht werden: »Bauarbeiter, können wir es schaffen? – Ja, wir schaffen das!« Und auch wenn damit die Dekonstruktion von Gender keineswegs abgeschlossen ist, gibt es an Bobs Seite außerdem Wendy, die Arbeitskleidung und Helm tragen und nicht nur Fingernägel, sondern auch Türrahmen lackieren darf. Daher, Menschen aller Geschlechter, hoch die Hämmer! Die erste Stufe beginnt tatsächlich mit einem Hammer und Nägeln. Vergessen Sie umständliche Klebkonstruk­tionen an den Rauhfaserwänden und ins Fenster eingeklemmte Bettlaken als Vorhänge, so ein Nagel hält einiges. Voraussetzung ist natürlich, dass man dazu bereit ist, sich einen eigenen Hammer zu besorgen. Flaschen, Hardcoverbücher und sogar gusseiserne Pfannen sind zum Hämmern eher ungeeignet.

Der Nagel entspricht innerhalb der Evolution der Metallstifte aber nur einem kieferlosen Fisch, auf der nächsten Stufe begegnen wir dem Raubtier Schraube. Wer mit dem Erwerb eines Hammers auf den Geschmack gekommen ist, sollte sich – neben einem guten Werkzeugkoffer, der eigentlich sowieso zur Standardausrüstung gehört – als nächstes eine Bohrmaschine, Dübel und Schrauben zulegen. Damit können die Möglichkeiten dreidimensionaler Räume erst richtig ausgeschöpft werden. Ein bisschen künstlerische Freiheit sollte dabei erlaubt sein. An schrägen Regalen sind letztlich immer die schiefen Wände schuld. Schließlich entwickeln wir uns weiter über die Handsäge zur elektrischen Stichsäge, über Schmirgelpapier zur Schleifmaschine und bei Belieben über weitere Stufen bis zur Ornamentschnitzerei.
Natürlich ist die Heimwerkerei nicht immer ungefährlich, aber auch stundenlanges Lesen und Kommentieren der neusten Statusmeldungen auf Facebook können zu Sehnenscheidenentzündung führen. Beim Hämmern, Sägen und Bohren gehen eben manchmal einzelne Finger drauf. Auch die Nerven müssen öfter leiden, wenn doch etwas zu kurz abgemessen oder an der falschen Seite zusammengefügt wurde. Doch fragend schreiten wir voran. Wer lieber Shoppen geht, ist mit dem Hobby Heimwerken auch gut beraten: In Baumärkten können Unsummen für die neueste Werkzeugmode verschleudert werden. Für die ganz Gemütlichen gibt es immer noch die Heimwerkersendungen, da ist Facebook aber fast interessanter. Und allen Lobpreisungen des DIY zum Trotz, Fachleuten überlassen sollte man: Gas, Wasser, Scheiße, Strom.