Home Story

Normalerweise wird man nach der Rückkehr aus dem Urlaub in der Redaktion freudig und zugleich erwartungsvoll begrüßt. Die Freude ist natürlich nicht ganz uneigennützig, schließlich gibt es mehr zu tun, wenn weniger Leute da sind. Und angesichts von Redakteuren, die bevorzugt nach Kambodscha, Vietnam oder Singapur reisen, stellen die Kollegen ziemlich hohe Erwartungen an Berichte aus dem Urlaubsland. Wenn man schon nicht über den Eiweißgehalt gegrillter Insekten referieren kann, sollte man seine Ferien zumindest dazu nutzen, sich vor Ort einen Überblick über die politische Situation in Ägypten oder Tunesien zu verschaffen. Unter dem Stichwort »Krise« taugen natürlich auch Italien, Spanien, Portugal oder Griechenland für lange Gespräche am Konferenztisch. Liefert man noch aufregende Bilder und O-Töne, hat man sehr gute Chancen, dass die Reise als Reportage in der Zeitung verewigt wird. Die Rückkehrer dieser Woche sorgten allerdings für eine gewisse Ratlosigkeit im Kollegenkreis. »Und war das Wetter schlecht?«, war die einzige Frage, die ihnen gestellt wurde. Die beiden Kolleginnen hatten ihren Urlaub in Bayern und Belgien verbracht. Im Ranking der abwegigsten Reiseziele liegen sie damit ziemlich weit vorn. In der Redaktion rechnete wohl niemand damit, dass bei Bayern und Belgien mehr herauskommen könnte als langatmige Schilderungen über Regen, Sturm und Föhn. Dabei hätten die Urlauberinnen über kulinarische Köstlichkeiten wie Bauernpresssack und goldgelbe Fritten berichten können, über Wandertouren für Turnschuhträger und Schwimmen im Eiswasser. Sie hätten eindrucksvolle Bildstrecken mit Trachtenmode auf den Straßen von Bad Tölz und Rosenheim liefern können oder eine Reportage mit Ballermann-Impressionen aus Belgien. Und der investigative Journalismus kam vor allem in Bayern nicht zu kurz. Die Kollegin hat herausgefunden, dass eine kleine bayerische Gemeinde mit 7 000 Einwohnern im Rathaus eine eigene Abteilung für Waffenscheine unterhält. Ein Möwenmord und ein Dorf voller Waffennarren, auch am Nordseestrand und hinter der Almhütte lebt es sich gefährlich.