Der Anschlag auf israelische Touristen in Bulgarien

Der Terror kennt keine Ferien

Der Terroranschlag auf israelische Touristen in Bulgarien trägt die Handschrift des iranischen Regimes und der Hizbollah. Die Hintergründe sind aber noch nicht geklärt.

Sicher scheint nur, dass gezielt israelische Touristen angegriffen werden sollten, auch wenn einige Medien berichten, der Attentäter habe nicht geplant, sich in die Luft zu sprengen. Ansonsten herrscht weiterhin Verwirrung über die Hintergründe des Bombenanschlags im bulgarischen Badeort Burgas am Mittwoch vergangener Woche. Der Sprengkörper explodierte am Flughafen in einem Bus, der 42 junge Urlauber aus Israel zu ihren Hotels bringen sollte. Außer sich selbst tötete der Attentäter den bulgarischen Busfahrer und fünf Israelis. Dutzende Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer.
Nur wenige Stunden nach der Explosion erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu: »Alle Anzeichen deuten auf den Iran.« Er kündigte eine »machtvolle Reaktion« an. Außenminister Avigdor Lieberman sagte am nächsten Tag, man habe »zuverlässige Informationen« über die Hintermänner: »Hizbollah steht hinter dem Anschlag, in enger Zusammenarbeit mit den iranischen Revolutionswächtern.« Verteidigungsminister Ehud Barak gelobte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die schnelle Schuldzuweisung der israelischen Regierung macht ein wenig stutzig, standen doch zu diesem Zeitpunkt die genaue Zahl der Todesopfer und die Art des Anschlags noch nicht fest. Außerdem hatte es zuvor keine konkrete Warnung des israelischen Geheimdienstes gegeben. Die iranische Regierung wies denn auch die Anschuldigung zurück und verurteilte den Anschlag. Auch die Hizbollah bestritt eine Beteiligung, allerdings war die Rede ihres Generalsekretärs Hassan Nasrallah nicht dazu angetan, für Entwarnung in Israel zu sorgen. Die Hizbollah jage »Tag und Nacht Israelis« und für Israel sei eine »große Überraschung« geplant, drohte der Anführer der Terrororganisation.

Am nächsten Tag meldeten bulgarische Medien, der schwedische Staatsbürger Mehdi Ghezali sei der Täter gewesen – eine pikante Personalie. Nachdem er bei der Einnahme der afghanischen Höhlenfestung Tora Bora von US-Truppen inhaftiert worden war, war er von 2002 bis 2004 als sogenannter ungesetzlicher Kombattant in Guantánamo festgehalten worden. Angesichts seiner Vorgeschichte wäre eine Tatbeteiligung al-Qaidas wahrscheinlich gewesen, was die Anschuldigungen der israelischen Regierung ins Wanken gebracht hätte. Doch nur wenige Stunden später dementierten sowohl bulgarische als auch schwedische Behörden die Medienberichte. Ghezali habe mit dem Anschlag nichts zu tun, hieß es. Allerdings sollen die schwedischen Sicherheitsorgane den Aufenthaltsort des 33jährigen nicht kennen. Sowohl die frühe Verdächtigung als auch die schnelle Entlastung Ghezalis wirken dubios. Die bulgarische Polizei veröffentlichte Filmmaterial von einer Überwachungskamera, auf dem ein junger Mann in typischem Touristenoutfit zu sehen ist, bei dem es sich um den Attentäter handeln soll. Bei seinen sterblichen Überresten seien gefälschte Personaldokumente aus den USA gefunden worden.
Auch wenn es diesmal zuvor keine konkreten Hinweise des israelischen Geheimdienstes gegeben hatte und die Ereignisse in den 24 Stunden nach dem Anschlag einige Fragen aufwerfen, passt das Blutbad in die Reihe von großteils vereitelten Terroranschlägen gegen Israelis und Juden in Aserbaidschan, Argentinien, Thailand, Indien und Georgien im Januar und Februar dieses Jahres (Jungle World 7/2012). Am 2. Juli wurde zudem bekannt, dass der kenianische Geheimdienst zwei Iraner verhaftet hatte, die Anschläge auf israelische Touristen geplant haben sollen. Am 14. Juli nahm die Polizei auf Zypern einen 24jährigen Libanesen fest, der offenbar eine Rakete auf ein Flugzeug der israelischen Fluglinie Arkia abfeuern wollte.
Auch Bulgarien ist als Schauplatz nicht völlig überraschend. Anfang Januar fanden bulgarische Sicherheitsbehörden Sprengstoff in einem Bus. Damals sollen ebenfalls israelische Touristen das Ziel gewesen sein und die iranische Regierung mit der Hizbollah dahintergesteckt haben. In israelischen Sicherheitskreisen wurden bereits im Januar und Februar neben lateinamerikanischen auch südosteuropäische Staaten wie Bulgarien, Griechenland und die Türkei als mögliche Schauplätze für Anschläge genannt. Besonders gefährdet seien »weiche Ziele«, Menschen wie in Burgas, Urlauber und andere Zivilisten, die oft ohne jeglichen Schutz durch Sicherheitskräfte unterwegs und deswegen leicht zu treffen sind.

Ein weiteres Indiz für eine Urheberschaft des iranischen Regimes und der Hizbollah ist das Datum des Anschlags von Burgas: Er fand exakt 18 Jahre nach dem Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires statt, bei dem mehr als 80 Menschen ums Leben kamen. Urheber waren damals der Iran und die Hizbollah. Nach den Anschlägen im Januar und Februar durfte man mit einigem Recht mutmaßen, dass das iranische Regime angesichts seiner immer stärkeren Isolierung und der Angriffe auf iranische Atomwissenschaftler und Nukleareinrichtungen mit Bomben und Virusprogrammen eine weltweite Terroroffensive gegen Israelis betreibt, um Israel von weiteren Maßnahmen gegen das iranische Atomprogramm abzuhalten.
Inzwischen scheint sich die Distanz zwischen Iran und Hizbollah aber zu vergrößern. Nach einem Bericht des American Enterprise Institute vom Mai soll Ghasem Sulaimani, Anführer der iranischen al-Quds-Brigaden, die für weltweite Terroroperationen zuständig sind, Nasrallah vor einer weiteren Eskalation des Terrors gewarnt haben. Dem Bericht zufolge befürchtet das iranische Regime einen Präventivschlag Israels, dem durch weitere Attentate auf Israelis nicht noch größere Legitimität verliehen werden soll. Möglicherweise verfolgt die Hizbollah im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien vermehrt eigene Interessen. Am gleichen Tag, an dem die Bombe in Burgas explodierte, detonierte auch in Damaskus ein Sprengsatz. Neben mehreren engen politischen Vertrauten des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad soll dabei auch Sulaimani getötet worden sein.